Bedenklicher als Spiele wie Manhunt finde ich, daß diese diffamierenden Platitüden mancher Politiker oder selbsternannter Experten nun wohl auch in die Gamerszene eingesickert sind. Vergleiche von Kinderpornographie mit "unseren" Spielen finde ich sind weit unter der Gürtellinie - und solche Vergleiche, die solchen Extremisten wie Beckstein eigendlich schon lange das Amt hätten kosten müssen, findet man nun sogar schon im ersten Posting dieses Threads! Kinderpornographie ist illegal, und deshalb kann auch es keine Diskussion um die "fiktive" Ausprägung davon geben, denn wie schon gesagt, es ist (zumindest in Deutschland) illegal und stellt deshalb auch keine Doppelmoral da, weil es so etwas (
in unseren Landen) in Konsolenspielen auch nicht gibt. So etwas wie "Killerspiele" (der Begriff ist diffamierend und sollte gerade von Gamern eigendlich nicht verwendet werden) gibt es für mich nicht, denn ich zähle die Spiele, genau wie andere Medien wie Filme und Bücher, zum Kunstbegriff. Die Gemälde der großen Meister waren damals auch nur Auftragsarbeiten für einen Markt. Mir gefällt rein geschmacklich auch nicht jede Kunst-Installation oder Gemälde. Unabhängig was ich davon halte sind IMHO auch die propagandistischen Monumentalschinken und kitschigen Statuen aus der Nazizeit (die den sowjetischen oder denen der DDR gar nicht mal so unähnlich waren) durchaus (verblendete) Kunst.
Eine gewisse Doppelmoral sehe ich eher in manchen Äußerungen, daß man ja in Film und Fernsehen "viel Schlimmeres" sehen würde. Denn genau das stimmt eben nicht. Durch den in Deutschland völlig überzogenen Jugendschutz ist die, laut Grundgesetz eigendlich verbotene, Zensur zur Normalität geworden. Und befremdlicher Weise tolerieren das auch noch alle! Kürzungen an Filmen zeigen mir eher, wie wenig Respekt manche Medienleute (und Behörden) vor den Werken anderer haben. Das ist ja inzwischen so weit "entartet", daß man bereits im Kinderprogramm wild herumschneidet. Ganz zu schweigen davon, daß sogar 18er Titel geschnitten sind, man also Material, das sowieso nur für Volljährige bestimmt ist, einer ganz klar zu erkennenden Zensur unterwirft, welche das Grundgesetz eigendlich ausschließt. Daher hat die (durch die Gremien wie z.B. der BPjM bedingte) Zensurpraxis in Deutschland auch eigendlich nichts mit Jugendschutz zu tun, da mit den Kürzungen in 18er Spielen und Filmen klar das Recht von Volljährigen beschnitten wird. Seltsam finde ich nur, daß die Entwickler sich der auferlegten Zensur auch noch ohne großen Widerstand unterwerfen und ihre eigenen Werke verstümmeln. Selbst das Wegschneiden des Abspanns im Fernsehen halte ich bereits für absuluten Frevel. Allgemein ist gerade das Fernsehen IMHO inzwischen zu lauwarmer geistloser Soße verkommen. Da gibt es also nichts mehr, was (zumindest vom Standpunkt der Gewalt) "noch viel schlimmer" wäre.
Mein persönliche Grenze in Spielen liegt ganz woanders. Sagen wir es mal so, "sinnlose" (und durchaus auch exzessive) Gewalt finde ich weitaus harmloser als Spiele, die zwar unblutig sind, jedoch eine propagandistische Wirkung entfalten. Oder um es noch einfacher auszudrücken, wir brauchen mehr Spiele wie Manhunt, GTA, Mortal Kombat oder meinetwegen auch Postal, aber weniger Spiele wie Americas Army oder die unzähligen Taktik Shooter, welche ich inzwischen nicht ganz zu unrecht lieber Propaganda-Shooter nenne. So ist ein durchaus kritisches Spiel wie Shellshock Nam '67, daß auch die Kriegsverbrechen auf beiden (!) Seiten nicht ausspart in Deutschland verboten, Propagandaspiele wie Americas Army sind aber weiterhin legal. Americas Army ist ein gutes Beispiel, was bei vielen dieser Spiele wirklich krank ist: man schreibt zwar den militärischen Realismus dort recht groß (AA ist ja auch in der Tat in jeder Hinsicht ein Propaganda Spiel, das zu einem großen Teil zum Rekruten anwerben gedacht war), jedoch findet man hier aus gutem Grund kaum Blood & Gore, weil dies (wie schon im Hinblick auf die [Über-] Realistische Gewaltdarstellung in Anti-Kriegsfilmen gesagt wurde) wiederum nur mögliche Rekruten abschrecken würde. Deshalb sind die Kürzungen für den Deutschen Markt auch absolut kontraproduktiv, weil durch das Ausblenden der physischen Folgen des Kriegeinsatzes politisch motivierte Gewalt verharmlost wird. Deshalb kann ich auch nicht verstehen, daß man auf der Game Convention ausgerechnet die Bundeswehr (bei welcher man zum realen Töten ausgebildet wird - sozusagen als anerkannte Killerbehörde zur realen Killerausbildung) duldet, so das sie dort immer wieder mit einem Stand vertreten ist. Warum gibt es unter den Gamern niemanden, der diesen Typen sagt, daß sie auf einer Spielemesse nichts verloren haben und sich gefälligst zum Teufel scheren sollen?
Gerade hier erkennt man auch eine weitere Doppelmoral der deutschen Gesellschaft. Und zwar die, daß man von Seiten der Politiker wie Berserker auf angeblich "verrohende" Spiele oder Filme losgeht, andererseits aber ganz reale Gewalt gegen ganz reale Menschen toleriert, wenn sie nur dem Staatszwecke ("Gewaltmonopol") dient. Das Tötungstraining und die Desensibilisierung (Zitat: "die Deutschen müssen wieder das Töten lernen") für den Krieg (verharmlosend derzeit als "Anti-Terror" Maßnahmen bezeichnet) werden sogar angestrebt. Ja sogar Informationen die durch (um mich zu wiederholen - ganz REALEN) Folter gewonnen wurden, sollen verwertet werden - aber die virtuellen Schießbuden, bei denen kein Mensch Schaden nimmt, da man ja nur auf Pixel oder 3D-Modelle mit Texturen schießt, sollen auf einmal moralisch bedenklich sein?
Man spricht davon das die Spieleindustrie eine Verantwortung gegenüber Kindern hätte (was haben Kürzungen an 18er Titeln, die durch den restriktiven deutschen "Jugendschutz" bedingt sind, mit dem Schutz der Jugend zu tun?), betrachtet aber die, gerade in Deutschland sehr starke, Rüstungsindustrie sogar als wertvollen Wirtschaftsfaktor. Ja, gerade die Industrie die ganz reale Werkzeuge zur ganz realen (Massen-) Tötung herstellt, wird auch noch als Spendengeldgeber (gerne auch unter der Hand, wie es unter anderem auch Schäuble und wohl auch Kohl tat) für die Parteien richtiggehend hoffiert. Und keiner findet es moralisch Verwerflich, daß gerade die Bonzen von z.B. Heckler & Koch, die mit dem Leid und dem Tod von Millionen von Menschen ihr (Blut-) Geld verdienen, teils sogar ganz persönliche Freunde der Politiker sind? Warum denkt man nicht eher über ein Verbreitungs- und Herstellungsverbot von Waffen, Bomben, Minen, Panzern und (Kriegs-) Flugzeugen nach? Aber es gilt natürlich wie schon damals: "Deutsche Waffen, deutsches Geld - morden mit in aller Welt".
Aber bevor ich zu sehr abschweife, meine ganz persönliche Vorstellung von einem neuen Jugendschutz, da der derzeitige in meinen Augen viel zu restriktiv ist und damit eindeutig eine Zensur darstellt:
- Weitgehende Abschaffung von Indizierungen und Verboten (also den Beschlagnahmungen)
Denn selbst einem Volljährigen werden derzeit teils extreme Hürden (höhere Kosten durch Import bzw. Risiko das der Zoll aufmuckt) auferlegt.
- Indizierung und Beschlagnahmung nur noch von eindeutig rechtsextremen, propagandistischen oder kinderpornographischen Titeln (auch so etwas wie Snuff, was ja reale Gewalt darstellt zähle ich dazu). Ein Hakenkreuz in einer Textur ist allein noch kein Indizierungsgrund!
- Kennzeichnungspflicht für vom Entwickler durchgeführte zensurbedingte Kürzungen (z.b. ein eindeutiges neues Zensur-Logo um Fehlkäufen vorzubeugen)
- Verschärfung der Strafen für Abgabe von 18er Titeln an Minderjährige, wie es schon bei Alkohl und Zigaretten der Fall ist
- Verpflichtung zu abgetrennten 18er Arealen (z.B. abgeschlossene Vitrinen) wie teilweise schon bei DVDs
- Falls nötig, hätte ich auch nichts gegen eine neue 21er Einstufung. Jedoch darf auch dabei eine Indizierung (also Werbeverbot) nicht stattfinden; die Spiele landen also auch im normalen Handel ohne Einschränkungen (maximal höchstens möglich: Vitrinen-Gebot wie weiter oben beschrieben).
Eine weitere Verschärfung des deutschen Jugendschutzes stellt für mich eher eine in Gesetzestext gegossene Kulturbarbarei dar! Die Verschärfungen die nach Erfurt erfolgten sollten statt dessen besser wieder abgeschafft werden.