Dass der moralische Aspekt des Christentums hier auch als "Marke Eigenbau" gelabelt wird, liegt halt daran, dass die Threadteilnehmer Christus als Gott oder göttliche Instanz verleugnen, und daher alles Darausfolgende als menschliche bzw. kirchliche Interpretation ausgelegt wird. Wie
@Power schon anmerkt, würde man sich das bei einer anderen Religion gar nicht erst trauen auch nur offen zu diskutieren
Der Knackpunkt der ganzen Geschichte ist, dass man als Christ (und übrigens auch als Jude oder Moslem) von gottgegebenen Werten ausgeht, die objektiv und tatsächlich vorhanden sind. So gibt es das objektive Gute, z.B., worauf Power hinaus will, ist, dass, wenn das verneint wird, jeder sein eigenes Gut-sein je nach Situation willkürlich zusammenpuzzeln kann. Im Grunde ist das der ewige Streit zwischen Essenzialismus (es gibt eine normative Essenz) vs. Existenzialismus (die eigene Existenz steht im Vordergrund), sehr vereinfacht gesprochen (ich empfehle hierzu nochmal das Video weiter oben mit Bishop Barron, der das ausführlich ausformuliert!).
Grundsätzlich kann man sagen, dass das Christentum, wenn man es genauer studiert, ein in sich lückenloses, geschlossenes und logisch aufeinander aufgebautes, moralisches Lehrgebäude darstellt. Das fängt bei der Bibelexegese und der Beschäftigung mit Christi Taten und Worten an, geht weiter mit Moralphilosophie, theologischer Ethik und endet dann in praktischer Theologie, Katechetik, Liturgie. Man findet in anderen moralisch-ethischen Weltanschauungen rein gar nichts, was hier nicht auch geboten werden würde, wenn man sich mal darauf einließe. Ich persönlich würde soweit gehen zu sagen, dass das Christentum die mit Abstand durchdachteste und vollständigste Ansammlung moralphilosophischer Konzepte darstellt, die jemals konzipiert worden sind (ja, von der kath. Kirche!), und es ist eigentlich völlig ausgeschlossen, sich als "Christ" zu bezeichnen und amoralisch zu handeln, genauso wie es ausgeschlossen ist, moralisch zu handeln und sich gleichzeitig vom Christentum so weit wie möglich zu distanzieren. Es ist fast ein bisschen so, als würde man Fußball spielen und behaupten, man möchte eigentlich keinen Sport betreiben.