Ein Ausbruch aus der konformen Masse, welche von trügerischen und scheinheiligen Oberflächlichkeiten geprägt, zu einem unattraktiven Blender verkommen ist, das ist INLAND EMPIRE. Lynch, der es mit seinem sensationellem Debüt Eraserhead selbst geneigtem Publikum schon schwer machte, hielt sich noch nie an Rahmenbedingungen und Konvention, die es dem Konsumenten einfach machen und ihm Vertrautes auf dem Silbertablett präsentieren. Lynch sucht einen Ausweg aus dieser einheitlichen Tristesse, findet diesen dann in einer aufopferungs- und hingebungsvollen Arbeit des Filmens und bietet schließlich einem gewissen suchenden Publikum den filmgewordenen Ausweg, den Ausbruch aus dem Mainstream. Doch mit seinem jüngsten Werk werden die bisherigen Pfeiler seines Schaffens neu angeordnet und lassen den sich stetig weiter entwickelnden Raum des Lynch-Universums in neue Dimensionen ausweiten.
Die Schauspielerin Nikki Grace (Laura Dern) wittert die große Chance auf ein Comeback, als man ihr die Hauptrolle zu dem neuen Kinofilm On High In Blue Tomorrows des renommierten Regisseurs Kingsley Stewart (Jeremy Irons) anbietet. Die zweite Hauptrolle in dem Liebesdrama über eine verhängnisvolle Affäre soll mit dem Darsteller Devon Berk (Justin Theroux) besetzt werden. Kurz nach Drehbeginn findet Nikki heraus, dass der Film früher schon einmal gedreht wurde, aber wegen des Mordes an den beiden Hauptdarstellern nie vollendet werden konnte. Doch auch diese Dreharbeiten scheinen unter keinem guten Stern zu stehen, denn Nikki erhält eine Warnung, dass es auch diesmal zu einem Todesfall kommen wird. Von nun an verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion und Nikki beginnt an ihrer eigenen Identität zu zweifeln und weiß nicht mehr genau, ob sie sich in der Wirklichkeit oder noch in der Filmhandlung befindet
Wahrlich höchst komplex schuf Lynch mit diesem Film ein anspruchsvolles wenn auch geniales narratives Konstrukt, das all seine Geschichten, kleinen Geheimnisse und Details nach und nach präsentiert und in dem sogartigen Aufbau, welcher immer tiefer in diese Welt zieht, ähnlich wie eine russische Matroschka funktioniert Geschichte in einer Geschichte in einer Geschichte et cetera. Ein kontinuierliches Auf- bzw. Entdecken durchzieht den Film und fordert über die Spiellänge von fast drei Stunden einiges an Aufmerksamkeit und Konzentration, um nicht schon zu Beginn den Durchblick zu verlieren. Man könnte INLAND EMPIRE als komplexe, dicht in sich verschachtelte cineastische Hypotaxe bezeichnen, welche minuziös unter größter Vorsicht geplant und gefilmt wurde.
INLAND EMPIRE ist ein surrealer Mindfucker und schert sich weder um Konformität noch Konventionen und ist deswegen einer der wunderbarsten Filme, die ich bis jetzt sehen durfte. Radikal drastisch und ohne Rücksicht entfaltet er sich über die fast drei Stunden und bietet kein plattes Medium, das von Interpretationen zerrissen wird, sondern ist ein Film, der durch seine massiv verstörende Drastik, gleichermaßen rührende Liebe, das menschliche Gefühlsleben portraitiert und dieses mit all seinen Ängsten, Hoffnungen und Glücksmomenten zelebriert. INLAND EMPIRE ist das aufrichtigste Werk, das Lynch bis dato geschaffen hat und vereint all sein Können, seine Ideen und Kritik in sich. INLAND EMPIRE ist Lynch.