Schwedens Sonderweg in der Corona-Krise steht weiterhin unter Beobachtung. Nun gibt es Kritik aus dem eigenen Land. Die Opposition im schwedischen Parlament fordert eine unabhängige Untersuchung über die Folgen der lockeren Regelungen während der Pandemie.
Der sozialdemokratische Regierungschef Stefan Löfven zeigte sich bisher grundsätzlich offen für die Einsetzung einer unabhängigen Kommission. Aber diese solle erst nach Ende der Pandemie ihre Arbeit aufnehmen. Die Opposition möchte, dass die Komission sofort Ergebnisse sammle. Die Opposition beklagt, dass Schweden nun sogar eine höhere Todesrate als UK, USA und das massiv betroffen Italien aufweise.
Schweden verzeichnet mittlerweile eine wesentlich höhere Infektions- wie Sterberate als seine skandinavischen Nachbarn. Bisher starben im zehn-Millionen-Einwohner-Land 4.450 Corona-Infizierte, drei Viertel der Todesopfer waren pflegebedürftige Senioren. Norwegen (5,3 Millionen Einwohner) verzeichnet 236 Tote, Finnland (5,5 Millionen) 314
Der österreichische Soziologe Max Haller, Forschungsschwerpunkt international vergleichende Sozialforschung, meinte dazu in einem Kommentar: Die Covid Krise hat aus soziologischer Perspektive eindrucksvoll gezeigt, in welchen Ländern Maßnahmen ohne Gesetze - also lediglich Empfehlungen von Experten und Politikern, funktionieren und wo nicht. In verschiedenen Gesellschaften habe das in der Krise sehr unterschiedliche Auswirkungen gehabt. So makaber das klingen möge, aber eine derartige außergewöhnliche Situation wie diese Pandemie in Kombination mit unterschiedlichen internationalen Maßnahmen, ist für uns Sozialwissenschaftler eine wahre Goldgrube an Informationen, so Haller.
Schwedens Experte Anders Tegnell und die Regierung hatten gegenüber der Opposition zugeben müssen, dass genau das nicht gelungen ist, was seine Behörde von Anfang an den Schweden verordnet hat: nämlich die älteren und die Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen, während das "normale Leben" weitergeht. Nach und nach musste die auch die Regierung in Stockholm einige Aktivitäten per Gesetz und Verordnung verbieten, als die Anzahl an Todesopfern und infizierten im März und April dramatisch anstiegen.
Im Gegensatz dazu haben einige asiatisch Länder wie Honkong, Südkorea und Taiwan die Krise ohne generellen Lockdown und dennoch ohne nennenswerten Anstieg der Todeszahlen und oder starkem Anstieg an Infektionszahlen bewältigen können. Die Bevölkerung in diesen Gesellschaften habe sich offenbar an die Empfehlungen gehalten; und so konnte das öffentliche Leben in gewissem Maße aufrechterhalten bleiben.
Schweden geht in der Corona-Krise einen anderen Weg als viele Länder. Dafür gibt es beides - Lob und Kritik. Zuletzt jedoch vermehrt zweiteres.
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