Wie gefährlich die Situation werden würde, wusste zu dem Zeitpunkt niemand. Aber die Sorgen waren riesig, wie Sylvie Briand sagt. Sie war damals verantwortlich für das WHO-Grippeprogramm, heute ist sie WHO-Direktorin für Infektionsgefahrenmanagement.
Jeder habe an die Spanische Grippe 1918-20 mit bis zu 50 Millionen Toten gedacht, die auch von einem Virus aus der (A)H1N1-Familie ausgelöst worden war. «Wir hatten seit 2003 erst die Infektionskrankheit SARS, die in Asien zu Grenzschließungen und Reiseeinschränkungen führte, dann die Vogelgrippe (A)H5N1», sagt Briand der Deutschen Presse-Agentur in Genf. «Und als sich alle Welt mit Impfstoffen auf eine neue Vogelgrippe-Welle eingestellt hatte, tauchte dieses unbekannte neue Virus auf, das sich auch noch rasend schnell verbreitete.
Von April, als die ersten Fälle bekannt wurden, bis zum 11. Juni waren bereits 74 Länder betroffen, am Ende praktisch jedes Land der Welt. «Wir hatten schnell erste Fälle in Deutschland und waren entsprechend besorgt», sagt Silke Buda, Grippeexpertin beim Robert-Koch-Institut in Berlin. Das Institut ist für die Überwachung und Prävention von Krankheiten zuständig. Anders als bei den bekannten saisonalen Grippeviren sei nicht ein Großteil der Bevölkerung durch früheren Kontakt oder eine Impfung immun gegen das neue Virus gewesen. «
Die Befürchtung war vorher: Wenn eine Pandemie kommt, dann mit vielen schweren Erkrankungen und vielen Todesfällen.»
Die WHO sei auf das Schlimmste gefasst gewesen, sagt Briand:
Eine erste Auswertung der wenigen verfügbaren Daten aus Mexiko deutete auf eine Sterblichkeitsrate von 27 Prozent hin. Das habe unter anderem daran gelegen, dass die Krankenhäuser, die die Daten lieferten, nur die schwersten Fälle zu Gesicht bekamen und viele dieser Menschen tatsächlich starben. Die Menschen, die nach einer Infektion mit dem neuen Virus lediglich Schnupfen und Fieber hatten und nicht zum Arzt gingen, wurden nicht erfasst. Schnell wurde klar, dass die 27 Prozent überzogen waren. Tatsächlich lag die Mortalität bei weniger als 1 Prozent, sagt Briand heute.
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Inzwischen hat das heute offiziell «(A)H1N1pdm09» genannte Virus weitgehend seinen Schrecken verloren. Es gehört zu den jährlich auftretenden saisonalen Grippeviren mit dazu.
Ein Drittel der Weltbevölkerung sei infiziert worden, die meisten, ohne es zu wissen, schätzt Briand.
Erst gab es ungewöhnlich viele Kranke in Mexiko. Dann wurde ein neuer Influenza-Virustyp entdeckt. Und dann geriet die Welt in Panik. Vor zehn Jahren ...
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