Fest steht: Je dramatischer sich die Situation im Ausland entwickelt, desto erfolgreicher kann Chinas Führung von der Tatsache ablenken, dass ihr frühes Versagen die Epidemie erst richtig ins Rollen gebracht hat. Die Empörung über den
Tod des als Whistleblower-Helden gefeierten Arztes Li Wenliang ist mittlerweile abgeebbt.
Ängstlich verfolgen viele Chinesen die steigenden Fallzahlen im Ausland, einige machen sich über den laxen Umgang mit dem Virus in anderen Ländern lustig: Dass Fernsehberichte aus Europa bislang kaum Menschen zeigen, die Schutzmasken auf den Straßen tragen. Dass eine Gesundheitsbeamtin in Kalifornien auf einer Pressekonferenz die Amerikaner dazu aufrief, sich nicht mit den Händen ins Gesicht zu fassen, aber im nächsten Moment vor laufenden Kameras ihre Finger ableckte. Dass Bürger in der norditalienischen Kleinstadt Vò in Padua gegen
die Abriegelung ihrer Provinz protestierten – den Europäern scheine Freiheit wichtiger zu sein als Menschenleben, mokierten einige Kommentatoren in den sozialen Medien sarkastisch.