Kai Schmidt: Es ist zunächst etwas ungewohnt, mit einer jammernden und weinenden Lara durch die Wildnis zu streifen. Das verletzliche Mädchen aus dem Tomb Raider-Reboot hat so gar nichts mit der unzerstörbar scheinenden Lara aus den übrigen Spielen der Reihe gemein. Will man das als Fan wirklich? Hat dieses düstere Survival-Spiel überhaupt noch etwas mit Tomb Raider zu tun? Nach zwei Stunden Anspielzeit einer weit fortgeschrittenen Fassung des Spiels kann ich Entwarnung geben: Zwar braucht es wirklich etwas Zeit, bis man sich an die neue Lara gewöhnt hat, doch je weiter man spielt, desto mehr schließt man sie ins Herz und kann bei ihren haarsträubenden Erlebnissen zwischen wilden Tieren, Piraten und einem mysteriösen Kult richtig mitfiebern.
Was mich allerdings etwas stört, ist die Kluft zwischen Erzählung und Erlebnis: Während Lara in den Zwischensequenzen Angst davor hat, zu töten, und im Prinzip nur nach Hause will, schickt man als Spieler einen Gegner nach dem anderen ins Jenseits. Warum hat man hier keine entsprechende Spielmechanik eingebaut, die das Zielen zumindest in der ersten Spielstunde (in der Lara noch am weinerlichsten ist) etwas erschwert? Ein Erfahrungspunktesystem ist da, warum also nicht darauf bauen, dass der Spieler die Zielkünste von Miss Croft zügig aufrüstet?
Die Mischung aus traditionellen Tomb Raider-Rätseleien, Klettertouren, Uncharted-Geballer und etwas Geschleiche macht trotz der Kritikpunkte einen mehr als ordentlichen Eindruck. Tomb Raider-Fans werden sicher nicht enttäuscht, wenn der Rest des Spiels das hält, was die ersten zwei Stunden versprechen. Ich zumindest kann es gar nicht erwarten, endlich die komplette Insel zu erkunden, da ich bisher jedes Spiel der Reihe verschlungen habe (na gut, bis auf Angel of Darkness) und wissen möchte, was Entwickler Crystal Dynamics sich für den Neustart alles hat einfallen lassen.