Wenn die Gewohnheit zum Hindernis wird
Kolumne: Gut kopiert oder schlecht geklaut?
15.01.14 | 11:45 Uhr
Wir Menschen sind unglaublich gut darin, Verhaltensweisen zu imitieren. Seien es Gesten, Akzente oder flotte Sprüche. Manch einer kann sogar die Stimme einer berühmten Persönlichkeit nachahmen und landet dann als Angela Merkel-Double bei Switch Reloaded. Die Wahrheit ist doch, dass wir es als unsere Lebensaufgabe betrachten, andere nachzuäffen. Wir wollen nicht gut sondern besser sein und machen uns darüber Gedanken, wie andere Menschen in bestimmten Situationen handeln würden. Wie nach Rezept vergleichen wir unbewusst, wie unsere Mitmenschen den Alltag meistern und versuchen uns stetig zu verbessern und unsere perfekte Persona zu kreieren. Nehmen wir mal unseren Boris, denn sein Vokabular ist der Wahnsinn. Seit er nämlich unsere Redaktionsräume unsicher macht, wimmelt es bei uns nur so von Sätzen wie “Das muss abbildbar sein!”, “Voll zornig” oder “Das ist der krasse shit, Mann!” Hier greift verbales “Copy & Paste” um sich!
Gut kopiert oder schlecht geklaut? - Cliff KolumnusAber was hat das alles mit Videospielen zu tun? Ganz einfach: Bei der Entwicklung von Videospielen verhält es sich nämlich genau so. Wann konntet ihr das letzte Mal behaupten, dass ihr ein durch und durch einzigartiges Spiel gezockt habt? Die Videospielbranche ist schon lange auf den Trichter gekommen, dass es einfacher und wesentlich sicherer ist, bereits bewährte und von der Masse akzeptierte Marken zu kopieren.
Nintendo bot hier bereits mehreren Entwicklern die Vorlagen für den Instant-Erfolg. Zu fast jedem Produkt des japanischen Konzerns existiert ein Äquivalent: Super Mario? Gianna Sisters – Super Smash Bros? PlayStation All-Star Battle – Mario Kart? LittleBigPlanet Karting – Wiis Remote-Controller? Sonys Motion-Controller! Und selbst die Avatare der Xbox 360 sehen wie die kleinen Miis aus. In den letzten Jahrzehnten wichen einzigartige Ideen guten Kopien. Und das Konzept geht auf, die Spieler kaufen bis heute wie blöd.
Gut kopiert oder schlecht geklaut? - Cliff Kolumnus
Doch bleibt bei dieser Vielzahl an Imitationen nicht die Innovation langfristig auf der Strecke? Ich finde man sollte hier zwischen zwei Arten der Imitation unterscheiden. Da gibt es zum einen Spiele, die bewährte Gameplay-Elemente übernehmen, es aber trotzdem schaffen, eigene Akzente zu setzen. Ein gutes Beispiel wäre Bayonetta, das durch seine abgefahrene Action ohne weiteres als kleine Schwester von Devil May Cry durchgehen könnte, in puncto Wahnsinn jedoch eine Schippe drauflegt.
Gut kopiert oder schlecht geklaut? - Cliff KolumnusEs geht aber auch anders. Beim zweiten Fall handelt es sich nämlich um Videospiele, die sich bis zur endgültigen Ausschlachtung selbst kopieren. Das sind in der Regel Titel, die jeglichen Einfallsreichtum vermissen lassen und sich nur auf das gängige Erfolgsrezept verlassen. Titel wie Call of Duty und Battlefield haben einen Maßstab gesetzt, dem alle folgen wollen. Und so finden sich immer mehr Videospiele in den Ladenregalen, die mit Krieg, Explosionen und deftigen Shoot-Outs werben. Wer kann es ihnen nicht verdenken? Jährlich veröffentlichen Publisher die gleichen Spielmarken, die sich augenscheinlich nur von der Jahreszahl neben dem Logo unterscheiden und sich trotzdem wie geschnitten Brot verkaufen. Mittlerweile kopieren und wiederholen sich die Entwickler selbst und das mit Erfolg.
Doch an diesem Teufelskreis ist der Konsument auch nicht ganz unschuldig. Die Industrie wird durch die hohen Verkaufszahlen ermutigt, weiter an ihrem Konzept festzuhalten. Und dieses Phänomen wird uns noch sehr lange erhalten bleiben, wenn wir uns nicht irgendwann dazu aufraffen, alte Gewohnheiten abzulegen. Es verhält sich doch wie mit der Politik: Änderungen einfordern kann jeder, doch wer nur herumsitzt und sich auf die Bereitwilligkeit anderer verlässt, muss sich auch nicht über den politischen Stillstand wundern.
Glücklicherweise wird es jedoch auch immer Entwickler geben, die Risikobereitschaft zeigen und einzigartige Konzepte erschaffen. Diese mutigen Entwickler tragen dazu bei, dass die eigentliche Weiterentwicklung von Videospielen im Verborgenen stattfindet. Denn solange es jemanden gibt, der über den Tellerrand hinausblickt, kommt ein anderer und macht es ihm nach.
von Cliff A. Herausgeber: ingame
Finde es ein guter Beitrag vom
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