Er ist einer der berühmtesten Spiele-Designer und er erzählt uns Neues zur sehnsüchtig erwarteten Fortsetzung des Disney-Rollenspiels von Square Enix.
Selbst wenn der Name Tetsuya Nomura dir nichts sagen sollte, kennst du bestimmt die Figuren, die er für einige der besten Spiele von Square Enix gestaltet hat. Schließlich ist dies der Mann, der uns Cloud Strife und Sephiroth aus "Final Fantasy VII", Sora aus "Kingdom Hearts" und Yuna und Tidus aus "Final Fantasy X" beschert hat.
Das Square-Enix-Konferenzzimmer, in dem wir Nomura-san treffen, bebt förmlich von den Bässen, die im Preview-Vorführraum direkt über uns ertönen. Kein Wunder, dass unser Gesprächspartner da eher schüchtern wirkt. Sein Outfit erinnert an das seiner Figuren (lange schwarze Shorts und eine große Kette) und während des gesamten Interviews hält er seine Augen unter dem Schirm seiner Baseballmütze versteckt.
Doch diese Körpersprache trügt ebenso wie die Warnungen, die wir bezüglich seines allgemeinen Verhaltens erhielten. Nomura-san ist gesprächig und sympathisch. Er lacht viel und beantwortet die Fragen zu seinen neuesten Projekten ausführlich. Diesmal spricht er über "Kingdom Hearts II", die Fortsetzung des Gemeinschaftsproduktes von Square Enix und Disney aus dem Jahr 2002.
Können Sie uns ein paar Hintergrundinformationen zur Story von "Kingdom Hearts II" geben?
Die Handlung von "Kingdom Hearts II" beginnt ein Jahr nach dem Ende des Originals. Gleich zu Beginn des Spiels - zu dem ich jetzt natürlich noch nichts Genaueres sagen kann - gibt es ein Geheimnis. Stellen Sie sich einfach eine typische Fortsetzung vor, bei der jedoch gleich zu Anfang etwas vollkommen Unerwartetes geschieht.
Es geht aber immer noch um Sora und seine Freunde. Im Original mussten die "Herzlosen" besiegt werden, doch in "Kingdom Hearts II" wird es eine dritte Gruppe geben: die "Niemande". Das zentrale Thema von "Kingdom Hearts" ist das Herz selbst. Wie viel Potenzial dieses Thema hat, wird sich in "Kingdom Hearts II" zeigen.
Das erste Kingdom-Hearts-Spiel war die unbeschwerte Version. Diesmal wird es etwas ernster und düsterer und auch etwas tiefsinniger. Es geht um Entschlossenheit und darum, verlorene Freunde wiederzufinden.
Ist es schwer, mit Figuren wie Donald Duck und Goofy eine ernst zu nehmende Story aufzubauen?
Es war eigentlich überraschend einfach, Donald, Goofy oder irgendeine der anderen Disney-Figuren, die sonst eigentlich nicht düster und ernsthaft sind, dazu zu machen. Die Story wird stellenweise sehr ernst, doch die Figuren behalten ihre typischen Eigenschaften bei - dadurch kommt ihr jeweiliger Charakter erst richtig zur Geltung. Das ist uns nicht nur bei Donald und Goofy ein Anliegen, sondern auch bei den anderen Disney-Figuren.
Welche neuen Figuren aus dem Disney-Universum erscheinen in "Kingdom Hearts II"? Stimmen die Gerüchte über eine von "Fluch der Karibik" inspirierte Welt?
Zu den neuesten Ankündigungen hier bei der E3 gehörte, dass Mulan aufgenommen wird. Ja, und "Fluch der Karibik" erschien ebenfalls im Trailer. Daneben gibt es auch Welten, die bereits im Original vorkamen, z. B. die aus "Hercules". Im ersten Spiel war der Schauplatz oberirdisch, doch diesmal entführen wir den Spieler auf die andere Seite von Hercules' Welt.
In den Hades?
Genau. Es kommen also auch altbekannte Welten vor, doch sie unterscheiden sich dennoch von dem, was wir in "Kingdom Hearts" zu sehen bekamen. Ein weiteres gutes Beispiel wäre "Die Schöne und das Biest". Die Figuren daraus tauchten bereits im ersten Spiel auf, aber diesmal bekommen sie ihre eigene Welt. Man kennt sie zwar schon aus dem Original, aber jetzt setzen wir sie auf ganz neue Weise ein.
Wie werden die Welten ausgewählt? Gibt Disney dabei den Ton an oder machen Sie das selbst?
Wir bekommen von Disney eigentlich überhaupt keine Anregungen für dieses Projekt - es sind alles unsere eigenen Ideen. Wir entscheiden zunächst, wie viele Welten wir in unser Universum aufnehmen möchten, und anschließend überlege ich mir, welche Welten am besten passen würden. Diese Liste stelle ich dann meinem Team vor. In der Regel gibt es dabei keine Gegenstimmen. Sobald die Liste feststeht, geben wir sie an Disney weiter.
Es kam vor, dass Welten nicht genehmigt wurden. In so einem Fall suche ich eben nach anderen Szenarios und Welten, die sich eignen würden. Dann wiederholt sich der ganze Prozess noch einmal, bis wir die endgültige Liste haben.
Nach welchen Kriterien gehen Sie bei der Auswahl vor?
Eine Grundregel ist für mich, aus der Fülle der existierenden Disney-Welten keine zu ähnlichen auszuwählen, z. B. "Das Dschungelbuch" und "Tarzan". Die ähneln sich einfach zu sehr. Normalerweise nehme ich die vorhandenen Disney-Welten und teile sie in unterschiedliche Kategorien ein. Eine Geschichte spielt sich vielleicht am Meer oder in einer anderen wasserbasierten Umgebung ab, eine andere ist in unserer Zeit angesiedelt und wieder eine andere hat einen Naturschauplatz wie einen Wald. Daraus stelle ich dann eine Liste der Welten zusammen, die sich für die "Kingdom Hearts"-Story eignen.
Das Kampfsystem scheint wesentlich flüssiger als im ersten Spiel. Behält Sora alle Moves, die er in seinem letzten Abenteuer gelernt hat?
Wir recyceln in diesem Bereich überhaupt nichts aus dem Original. Alles ist brandneu und wurde von Grund auf neu entwickelt. Bei Soras Kampfstil in "Kingdom Hearts II" ist nichts kopiert.
Im Original lernte er mit dem Schlüsselschwert umzugehen und bereiste zahlreiche Welten. Wenn man seine Moves und seine Einstellung beim Kämpfen betrachtet, hat er sich seit dem ersten Spiel deutlich weiterentwickelt. Die Bewegungen sind jetzt cooler und sehen nicht mehr ganz so nach einem kleinen Kind aus, das lernt, mit einem Spielzeug umzugehen.
Vielleicht kann ich es so ausdrücken: Sora hat beim Umgang mit seiner Waffe einen neuen Level erreicht. Die Erfahrung, die er beim Bereisen all dieser Welten gesammelt hat, zeigt sich auch in seinen Bewegungen in "Kingdom Hearts II".
König Micky spielt diesmal eine größere Rolle. Wird er irgendwann zu einem Mitglied der Truppe?
König Micky ist natürlich eine ganz besondere Figur. Innerhalb der Disney-Welt kann man ihn auf keinen Fall wie irgendeine andere Figur behandeln. Soras Begleiter Donald und Goofy sind schon deshalb etwas Besonderes, weil sie mit ihm unterwegs sind. Doch für die Anwesenheit von König Micky in diesem Universum muss es einen speziellen Grund geben.
Er wird also nicht nur anders behandelt als Donald und Goofy, sondern auch als die Figuren in den einzelnen Welten. Wir haben uns etwas ganz Besonderes für ihn einfallen lassen - das betrifft sowohl seinen ersten Auftritt im Spiel als auch seine Rolle in der Handlung.
Haben Sie bemerkt, wie sich die Zielgruppe für Rollenspiele verändert hat? Und war "Kingdom Hearts" eine Reaktion darauf, sozusagen ein Versuch, Gamer in Asien und in der westlichen Welt gleichermaßen anzusprechen?
Ich denke, dass Rollenspiel-Freunde in Japan insgesamt rundenbasierte Titel vorziehen, bei denen die Action keine so zentrale Rolle spielt. Sehr viele Rollenspiele gehen in diese Richtung, deswegen war es nicht einfach, so etwas ganz anderes zu machen - ein Action-orientiertes Rollenspiel, das vor allem in den USA und Europa ankommen würde.
Selbst beim Entwickeln von "Final Fantasy"-Spielen (die ja allesamt rundenbasiert sind) frage ich mich ständig: "Wie kann ich hier ein bisschen mehr Action reinbringen, ohne dass die Action zu sehr dominiert?" Ich versuche, das perfekte Gleichgewicht zwischen diesen beiden Elementen zu finden. Damit wollte ich eigentlich seit jeher experimentieren. Ich habe schon immer davon geträumt, die beiden zu verbinden und dabei dennoch den rundenbasierten Stil beizubehalten und nicht in ein reines Action-Spiel abzugleiten.
"Kingdom Hearts" ist für mich immer noch ein Rollenspiel, auch wenn ich es nicht unbedingt als vollwertiges Action-Rollenspiel bezeichnen würde. Angesichts der sehr positiven Reaktionen der Fans auf das erste "Kingdom Hearts" weiß ich nun, dass das Experiment gelungen ist, und ich bin sehr glücklich und zufrieden, dass ich es gewagt habe.
Q: Playstation.de
