so, hier eine "kleine" analyse des neuen Gesetztes von bpjs-klage.de :
Das kommende Jugendschutzgesetz
Verfasser: Jan Petersen, 19.03.2003
Einleitung
"Das dicke Ende kommt noch", titelte Heise Telepolis schon am 12. Mai vergangenen Jahres, als der deutsche Jugendschutz nach dem Erfurter Amoklauf grundlegend überarbeitet wurde. Tatsächlich werden die Konsequenzen des neuen Gesetzes noch gar nicht richtig erkannt, dabei sollten längst alle Alarmglocken schrillen.
Aus diesem Grund habe ich das neue Jugendschutzgesetz einmal genau untersucht und werde die wichtigsten Neuerungen, vor allem aber die Konsequenzen für die Bevölkerung und die Wirtschaft, herausstellen.
Kennzeichnungspflicht
Ab dem 1. April dürfen nur noch Spiele verkauft werden, die von der Selbstkontrolleinrichtung USK eingestuft worden sind und das USK-Label deutlich sichtbar auf der Verpackung tragen (§12 Abs 1).
Soweit klingt das ganz logisch und sinnvoll. Leider gibt es da noch den Absatz 3 des selben Paragrafen, der besagt, dass "Bildträger" (u.a. Spiele und Filme), die nicht gekennzeichnet sind, weder Kindern noch Jugendlichen zugänglich gemacht werden, noch per Versandhandel eingeführt werden dürfen. Auch der Einzelhandel darf diese Produkte nur mit Ausweiskontrolle an Erwachsene verkaufen.
Dieser Umstand wird dafür sorgen, dass es künftig keine Importartikel im Online-Versandhandel mehr geben wird. Selbst Spiele, die hierzulande ohne Altersbeschränkung freigegeben sind, dürfen nicht im Ausland bestellt werden (z.B. über Amazon). Darunter fallen z.B. Kinderspiele aus Frankreich, aber auch Filme (z.B. von Walt Disney). Denn kaum ein ausländischer Publisher wird die für den jeweiligen Binnenmarkt produzierten Titel mit einem deutlich sichtbaren deutschen USK- / FSK-Label auf der Verpackung versehen.
Deutsche Bürger sollen künftig nur das kaufen, was auch in Deutschland geprüft wurde - dieser Umstand sollte nicht nur nachdenklich stimmen, sondern steht auch im Widerspruch zum EG-Recht.
Die Folge: Spielezeitschriften wie "PC Games", "PC Action" oder "Gamestar" werden erhebliche rechtliche Probleme bekommen, denn sie werden nur noch über Spiele berichten dürfen, die bereits von der USK eingestuft wurden.
Auch die auf den häufig beigefügten Datenträgern enthaltenen Demo-Versionen / Videos von kommenden Spielen sind nicht mehr erlaubt - es sei denn, die entsprechende Demo-Version oder das Preview-Video wurde von der USK eingestuft.
Ein Großteil des redaktionellen Inhaltes müsste geändert werden - da diese Zeitschriften auch gerade davon leben, dass sie über Spiele berichten, die noch in der Produktion sind. Selbst über Sportsimulationen wie Fußball, Autorennen und Skateboarden darf erst berichtet werden, wenn das Spiel von der USK eingestuft wurde.
"Schutz vor Indizierungen"
Auch erreichen mich zahlreiche E-Mails, die sich auf den Paragrafen 18 Absatz 8 berufen. Dort heißt es, dass Medien (z.B. Computerspiele), die bereits von einer Selbstkontrollorganisation (z.B. der USK) eingestuft wurden, nicht mehr indiziert werden dürfen. Dies ist an und für sich sehr schön und begrüßenswert, doch leider gibt es auch hierbei einen Haken.
Im ersten Absatz des §15 wird festgelegt, welchen Beschränkungen indizierte Titel unterliegen (z.B. Vorführverbot, Werbeverbot, Versandhandelsverbot, etc.). Gleich im Anschluss folgt Absatz 2 mit dem eigentlichen Knaller:
Den Beschränkungen des Absatzes 1 unterliegen, ohne dass es einer Aufnahme in die Liste und einer Bekanntmachung bedarf, schwer jugendgefährdende Trägermedien, die
einen der in § 86, § 130, §130a, § 131 oder § 184 des Strafgesetzbuches bezeichneten Inhalte haben,
den Krieg verherrlichen,
Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschwürde verletzenden Weise darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne dass ein überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Berichterstattung vorliegt,
Kinder oder Jugendliche in unnatürlicher, geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen oder
offensichtlich geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden.
Im Klartext heißt das: Ein Spiel muss gar nicht erst indiziert sein, um den gleichen Beschränkungen wie indizierte Titel zu unterliegen!
Jetzt nehmen wir z.B. das Spiel "Counter-Strike", welches erst vor kurzem von der BPjS geprüft und nach massiven Protesten nicht indiziert wurde. Jetzt ist die Familienministerin oder ein Verwaltungsgericht der Meinung, dass das Spiel "offensichtlich geeignet sei, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit schwer zu gefährden", oder dass es "Menschen, die schweren körperlichen Leiden ausgesetzt sind, darstellt".
Schon wäre das Spiel "quasi-indiziert". Gleiches würde mit "Command & Conquer: Generals" geschehen, wäre es nach dem 1. April erschienen: Zwar hätte die BPjM es dann nicht mehr indizieren dürfen (da von der USK eingestuft), doch unterläge es den gleichen Restriktionen wie indizierte Spiele, da es nach Auffassung der Familienministerin "den Krieg verherrliche".
Die Folge: Niemand kann mehr sicher sein, welche Spiele den Indizierungsbeschränkungen unterliegen und welche nicht. Auch wird im Gesetz nicht definiert, wer genau bestimmt, wann die in §15 Abs. 2 genannten Kriterien zutreffen. Desweiteren gibt es keine "Liste", auf der diese quasi-indizierten Spiele geführt werden.
Dies führt zu massiven Rechtsunsicherheiten. In § 27 (Strafvorschriften) heißt es:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
entgegen § 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 oder 6, jeweils auch in Verbindung mit Abs. 2, ein Trägermedium anbietet, überlässt, zugänglich macht, ausstellt, anschlägt, vorführt, einführt, ankündigt oder anpreist,
entgegen § 15 Abs. 1 Nr. 7, auch in Verbindung mit Abs. 2, ein Trägermedium herstellt, bezieht , liefert, vorrätig hält oder einführt
und weiter:
(3) Wird die Tat [...] fahrlässig begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu hundertachtzig Tagessätzen.
Ein Händler, der ein von der USK für geeignet ab 16 Jahren eingestuftes Spiel verkauft, macht sich selbst dann strafbar, wenn ihm gar nicht bekannt ist, dass dieses Spiel nach § 15 Abs. 2 quasi-indiziert ist. Dieser Umstand wird zu erheblichen Schwierigkeiten für die Wirtschaft und die Verbraucher führen. Viele Händler werde auf bestimmte Produkte komplett verzichten, da sie dieses Risiko nicht eingehen wollen.
Das dicke Ende kommt
All diese Änderungen werden sich auch massiv negativ auf die deutsche Gaming-Szene auswirken. So wird die sehr wahrscheinliche Quasi-Indizierung von Counter-Strike das Ende der LAN-Liga WWCL bedeuten.
Im Mai 2002 wurde die damalige Familienministerin Christine Bergmann nach der Ablehnung des Indizierungsantrages von Counter-Strike wie folgt zitiert:
"Ich habe mir »Counterstrike« und ähnliche Spiele angesehen und fand sie schrecklich. Sobald das neue Jugendschutzgesetz in Kraft getreten ist, kommt der Vorgang noch einmal auf den Tisch".
Und der derzeitige Aktionismus der amtierenden Familienministerin Renate Schmidt lässt nichts Gutes erwarten...
Das kommende Jugendschutzgesetz wurde verabschiedet, um mehr zu verbieten und zu reglementieren als jemals zuvor. Der populistische Aktionismus ("Placebo-Politik") nach dem Erfurter Amoklauf wird einschneidende Veränderungen in der Spielebranche bringen, indem der ohnehin viel zu restriktive Jugendmedienschutz in Deutschland erheblich verschärft wird. Ein Blick über den Tellerrand hin zu unseren europäischen Nachbarn wurde (mal wieder) nicht geworfen.
In der Politik gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen Wahrheit und Mehrheit. Und solange die Mehrheit der Bevölkerung an einen Wirkungszusammenhang zwischen Computerspielen und realer Gewalt glaubt, wird ein ambitionierter Politiker / Jugendschützer auch fleißig dieses Vorurteil eigennützig missbrauchen - unbeachtet aktueller Studien der Wirkungsforschung.
Die Urteilsbegründung der BPjS bezüglich der Indizierung von "C&C: Generals" berief sich auf ältere Studien und Urteile aus den 80er Jahren, während sich das Statement der USK auf aktuelle Studien und Untersuchungen berief. Ganz offensichtlich geht es der BPjS und dem Familienministerium nicht um eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema, sondern einzig darum, "positive" Schlagzeilen zu machen und die Stimmen konservativer Wähler zu gewinnen.
Mit dem kommenden Jugendschutzgesetz wird die Regierung den "Erfolg" vorweisen können, den "Gewaltspielen" endlich den Riegel vorgeschoben zu haben. Wenigstens ein Wahlversprechen, welches nicht gebrochen wurde...