Wie ernst es die israelische Führung mit dem Frieden meint, kann man an den formulierten Bedingungen des Osloer Friedensprozesses erkennen, den ich für gewichtiger halte als die anderen israelischen Friedensangebote. Weder 2000 noch 2008 gab es eine ernsthafte Friedensabsicht, allein schon deshalb, weil Arafat seit den 1990er Jahren mit einer starken Kompromissbereitschaft aufgetreten ist und dann eigentlich "ernsthafte" Friedensofferten erfolgreich hätten sein müssen.
Deine Darstellung ist lustig.
Auf der einen Seite sprichst du den Verhandlungen im Jahr 2000 jede „ernsthafte Friedensabsicht“ ab – und widersprichst damit praktisch dem Konsens unter palästinensischen und israelischen Historikern sowie internationalen Vermittlern. Selbst in pro-palästinensischen Kreisen wird das heute als riesige verpasste Chance gesehen, weil es in der Geschichte des Konflikts der vielleicht realistischste Moment für eine wirkliche Lösung war. Aber die palästinensische Führung wollte es nicht.
Aber dann verkaufst du den Osloer Friedensprozess als die ultimative Wende? Eine vage Absichtserklärung ohne Lösungsvorschläge, die selbst innerhalb der PLO umstritten war und auch auf palästinensischer Seite nie wirklich umgesetzt wurde.
Der Teilungsplan von 1947 als Angebot anzuführen, ist hochkontrovers.
Ich bezeichne 1947 auch nicht ein Angebot. 1947 gab es auch auf beiden Seiten keine politische Macht, den Plan mitzugestalten. Das war sowohl für Israel als auch für Palästina ein reiner Entscheid von oben. Der Plan war letztlich einfach
"Wir teilen das Gebiet, Jerusalem wird international verwaltet. Deal with it.“ Und ja, wenn es da nicht unmittelbar zum Krieg gekommen wäre
(losgetreten von Seiten der arabischen Staaten), hätte man zumindest eine in Ansätzen funktionierende Koexistenz etablieren können.
Aber von Seiten der arabischen Staaten war das schlicht nicht gewünscht. Denn man hat Israel ja nicht nur abgelehnt, weil es das eigene Land war, sondern weil man keinen
jüdischen Staat in der Region wollte. Dass man in dieser Zeit gleichzeitig in Ländern wie Irak, Ägypten, Libyen oder Syrien systematisch Juden entrechtete oder vertrieb, während man ihnen keinen Staat zugestand, macht das ziemlich deutlich
Und nur um das klarzustellen: ich verstehe die arabische Seite in dieser Zeit. Natürlich hat man wenig Freude, wenn auf dem
"eigenen" (so wirklich eigen war es ja nicht. Aber das ist eine andere Geschichte in Bezug auf den Anspruch auf die Region) Land plötzlich ein anderes Land entstehen soll. Aber auch wenn man die Ablehnung nachvollziehen kann, kann man die Entscheidung, diese Lösungsansätze abzulehnen als politisch unklug bezeichnen.
Zu den Umfragen: Die Ergebnisse variieren oft zwischen 30 und 50 Prozent, bei israelischen Palästinensern liegen sie häufig auch bei 70 Prozent. Es ist auch eine Frage des Framings und der Formulierung: Wird die Frage so gestellt, dass dieser palästinensische Staat Sicherheitsgarantien gegenüber Israel bekommt und die vorausgehenden Verhandlungen in „ernsthafter Absicht” geführt werden, liegt die Zustimmungsrate plötzlich bei 70 Prozent, bei den Israelis sogar bei 51 Prozent.
Bei den arabischen Israelis ist die Zustimmung seit je her höher. Nur sprechen wir hier nicht von arabischen Israelis, sondern von den Leuten in der Westbank und Gaza. Dort ist die Zustimmung seit rund zwei Jahrzehnten unter 40 %. Bei den Israeli ist die Zustimmung übrigens auch nicht weit höher und wird von der aktuellen Regierung auch aktiv bekämpft.
Die Annahme, dass beide Seiten eine Zweistaatenlösung ablehnen, kann also nicht einfach gesagt werden.
Doch, das muss man so sagen. Auf palästinensischer Seite
(also dort, wo ein palästinensischer Staat entstehen sollte) ist die Zustimmung bei unter 40 %. Auf israelischer Seite sind sie minimal höher. Beide Seiten haben keine gesellschaftliche und politische Mehrheit dafür, ernsthafte Verhandlungen zu führen. Darum ist die Zweistaatenlösung heute kein realistisches Projekt mehr. Und solange man in der Westbank eine quasi-illegitime Regierung, in Gaza eine islamistische, genozidale Terrororganisation und in Israel den nationalistischen Netanjahu an der Macht hat, wird es auch kein realistisches Projekt mehr sein.
Ein eigener Staat in einem zusammenhängenden Territorium, ggf. Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge in Teilen Israels.
Wollen wir dasselbe auch für die jüdischen Flüchtlinge einfordern?
Das Bild, was im Subtext mitschwingt, stimmt nach wie vor nicht.
1) Mit Juden hat man vor dem Staat Israel friedlich koexistiert. Wenn aber eine durch Flüchtlingsbewegung gewachsene Minderheit unter Gewalt sich einen Landstrich nimmt und einen Staat ausruft, wirst du in jedem Land der Welt auf Widerstand stoßen.
2) Der Staat Israel wurde nicht zu jeden Zeitpunkt abgelehnt und es gab genug Friedensinitiativen der Araber, die von Israel abgelehnt wurden.
Es gab schon vor der Staatsgründung immer wieder Probleme zwischen der jüdischen und der arabischen Bevölkerung. Nur stand man unter britischer Kontrolle und die haben meist ziemlich vehement eingegriffen. Es kam aber gerade im 20. Jahrhundert regelmässig zu Gewaltausbrüchen - auf beiden Seiten. Das als friedliche Koexistenz zu bezeichnen ist... gewagt.
Es gibt da noch die PLO. Ansonsten steht es den Palästinensern frei, das Spektrum an politischen Parteien zu diversifizieren - vorausgesetzt man gibt ihnen die Freiheit dazu.
Die ist aber heute wuasi bedeutungslos. Und aktuell ist es nun mal ein reelles Problem, dass es auf palästinensischer Seite heute keine wirklichen Verhandlungspartner gibt.
Die arabischen Staaten sind generell Flüchtlingen verschlossen, siehe Syrien, Irak, Afghanistan. Deshalb fliehen sie ja auch nach Europa. Kommst du als vollwertiger Staatsbürger und nicht als armutsgebeutelter Migrant mit Bleibeabsichten, dann sieht es anders aus. Auch Europa tendiert immer mehr in Richtung arabischer Restriktion.
Eigentlich möchten es alle, außer Israel und aus nachvollziehbaren Gründen vermehrt auch die Palästinenser. Israel tut immerhin alles daran, die Zweistaatenlösung zu sabotieren.
Heute? Ja. Heute lehnen auf beiden Seiten große Teile der Bevölkerung und die gesamte relevante politische Führung der beiden Seiten eine Zweistaatenlösung ab. Auf Seiten Israels ist diese konsequente Ablehnung aber eine neuere Entwicklung, auf palästinensischer Seite gab es nur eine kurze Zeit, in der wirklich eine Zweistaatenlösung zumindest oberflächlich unterstützt wurde.
Den Palästinensern würde es mit eigenem Staat definitiv nicht beschissener gingen als jetzt. Ganz im Gegenteil.
Hängt wohl von der Regierung ab? Aktuell sind die Palästinenser in so ziemlich jedem Land der Region weitestgehend entrechtet.
Das ist die israelisch-amerikanische Lesart. Am Ende sind die Verhandlungen beidseitig an den Endstatusfragen gescheitert. Die israelische bzw. amerikanische Seite hatte jedoch keine Geduld aufgrund innenpolitischen Drucks und es wurde versäumt, eine Fortsetzung der Verhandlungen für nachfolgende Präsidenten zu skizzieren.
Nein, das ist selbst auf pro-palästinensischer Seite unter Historikern heute weitestgehend ein Konsens, dass die palästinensische Führung an diesem Punkt ihre große Chance vertan hat.
Du hast die Fälle vergessen, wo Israel eindeutig abgelehnt hat oder einen Friedensvertrag mit einigen Staaten abgeschlossen hat.
Welche klar ausformulierten Fälle gab es denn da?
Das dürfen die Palästinenser entscheiden.
Schwierig. Was in Gaza passiert, wenn die Palästinenser entscheiden können, hat sich 2006 gezeigt.
Natürlich wünschen sich der überwiegende Teil der Palistinänser Frieden und eine Perspektive, die nur ein soveräner eigener Staat liefert. Und Frieden wünschen sich auch die meistren Israelis. Und natürlich findest du bei den Palistinänser immer Fanatiker, die von "River to the Sea" blöken. Aber solche Fanatiker fgindest du auch bei den Israelis, die einen israelischen Super Staat wollen. Die einzigen die keine 2-Staaten Lösung wollen sind Terrororganisationen wie die Hamas oder die rechtsradikal, nationalistische Regierung von Netanjahu.
Das ist weiterhin nicht korrekt. Bzw. halbrichtig. Ja, die überwiegende Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung will einen souveränen Staat. Die überwiegende Mehrheit der israelischen Bevölkerung will auch einen israelischen Staat. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf beiden Seiten will aber keinen Staat für die jeweils andere Seite. Wir sprechen von Ablehnungswerten von 60 % + auf beiden Seiten. Vor dem aktuellen Krieg.
Und btw ist es völlig irrelevant, ob die 2 Staaten Lösung fair ist, wie die Historie bisher war oder ob ISrael einen Großteil der Kosten zu tragen hat.
Es ist der einzige Weg aus dieser Tragödie und alle müßen bereit sein, den Preis zu zahlen.
Dafür müsste auf allen Seiten erstmal die Regierung ausgewechselt werden. Und nun haben wir das Problem von oben: weder in Israel noch in Palästina würde sich aktuell eine gemäßigte Kraft durchsetzen, die auf eine Zweistaatenlösung pocht. Weil es die Bevölkerung nun mal nicht will.