Ich finde ja auch, man hätte Anfang des 20. Jahrhunderts die Einführung des Autos verhindern sollen, an den Jobs für Kutschenbetriebe hingen ja auch ne Menge mehr dran, die dann alle weggefallen sind.
Damals kam die Ausbreitung des Autos doch recht plötzlich, doch welche Ausrede haben die Plattenlabels, das Internet nicht nur verschlafen, sondern lange Zeit als Feind betrachtet zu haben? Wer nicht mit der Zeit gehen will, muss eben mit der Zeit gehen. Selber Schuld.
Ich habe doch nirgendwo geschrieben, dass man Internet-Portale
verhindern soll. Wo liest da das denn bitte raus? Leute wie Engström predigen Konsumentenfreiheit und lassen die Konsumenten dann erst nicht entscheiden, stattdessen setzt er sich das Ziel die Labels aktiv zu zerstören. Sein radikales Bild von IP-Rechten wird negative Konsequenzen haben. Kein Ökonom der Welt würde behaupten, dass es eine gute Idee ist IP-Rechte komplett abzuschaffen. Christian Engström behauptet die Regierungen wären antiwissenschaftlich bei der Gestaltung der IP-Gesetze weil sie die Warnung ihrere eigenen Reporte ignorieren. Wenn die Regierungen also antiwissenschaftlich sind, dann ist er das erst recht. Deswegen nenne ich ihn ideologisch verblendet.
Das was du da hinzugedichtet hast steht dort überhaupt nicht. Die Arbeitsplätze habe ich auch gar nicht als Hauptargument herausgestellt. Die Konzertplaner, die Marketingleute, die Toningeniere, etc. müssen aber irgendwie bezahlt werden, ob das das Plattenlabel macht oder der Künstler ein seperates Unternehmen anheuert oder er alles selbst machen will ist seine Entscheidung. Da haben sich die Piraten gefälligst herauszuhalten und das tun sie leider nicht. Sie wollen nicht akzeptieren, dass manche Leute lieber bei einem Label sind als ihren Unterhalt als Indie zu verdienen, also nehmen sie den Labels eben die primäre Möglichkeit Geld zu machen. Ich bin auch nicht wirklich angetan von Musiklabels, eine Eliminierung sämtlicher IP-Rechte wäre aber ein fataler Fehler.
Der letzte Satz ist übrigens ziemlich witzig. Es geht hier um IP-Rechte, das hat genau gar nichts mit dem Vertriebsmodell zu tun. Ohne IP-Rechte kann man Musk gar nicht vertreiben ohne dabei betrogen zu werden. Heute machen digitale Verkäufe etwa 30% des Gesamtumsatzes der Musikindustire aus, die Aussage, dass die Labels das Internet verschlafen haben ist heute also komplett obsolet, das war 2005 vielleicht noch ein Argument. Streamingdienste wie Spotify liegen bei lediglich 1%, trotzdem hat die Industie erkannt, dass es besser ist ein wenig Geld mit einem Piraten zu machen als gar keines. Die Bandbreite an Angeboten ist vielfältig, in Brasiien bekommt man beispielsweise unlimitierte legales Streaming über eine Gebühr über den ISP, zudem gibt's jeden Monat 20 Stunden gratis. TCD in Dänemark bietet seinen Kunden einen ähnlichen Deal über einen Katalog von über 6 Mio Songs,
ohne Zusatzkosten. Offensichtlich sind die Labels also dazu bereit den ISPs diese Rechte für sehr wenig Geld zu überreichen.
wupperbayer schrieb:
Zumal es ja nun nicht so ist, dass die Plattenlabels irgendwie wichtig wären. Sie sind ein Mittel zum Zweck - leider glauben deren Vertreter zu gern, sie selbst würden Kunst schaffen. Tun sie aber nicht.
Es ist im Übrigen nicht mal so, dass die Leute durch das böse Internet weniger Geld für Musik ausgeben - das bleibt in etwa gleich. Nur die Verteilung verschiebt sich etwas. Und das, man höre und staune, zugunsten der Künstler, da mehr Geld für Konzerte und Merchandising ausgegeben wird. Die Labels jammern also nur über die eigene Gewinnspanne, nicht, wie sie gerne behaupten, im Sinne der Künstler - sogar ganz im Gegenteil. Und um die Künstler sollte es doch gehen, oder?
Plattenlabels sind bestimmt nicht essentiell aber sie helfen der Industrie dennoch besser zu funktionieren. Den Effekt schwacher IP-Rechte auf die Musikindustrie kann man in Europa gut nachverfolgen. In Ländern mit schwachen IP-Rechten werden die Charts von amerikanischer Musik dominiert, in Ländern mit stärkeren IP-Rechten gibt es einen weit höheren Prozentsatz nationaler Künstler. Der Zusamenhang ist einfach erklärt, die Umstandskosten eine CD in einem weiteren Land zu verkaufen liegt bei nahe null, deswegen gibt es internationale Musik auch in Ländern, in denen die Rechte der Produzenten nicht geachtet werden. Nationale Musik kann unter solchen Bedingungen erst gar nicht entstehen. Dieser Zusammenhang ist statistisch signifikant und sollte daher nicht ignoriert werden.
Im Schnitt benutzen etwa 15% der Interntenutzer in Europa Filesharing für illegale Zwecke. Die beiden schlimmsten Märkte sind Frankreich und Spanien mit jeweils 25% und 32%. Der Effekt ist klar zu beobachten, in beiden Ländern ging der Anteil nationaler Künstler in den letzten 7 Jahren um etwa 50% zurück. In Spanien hat's in den letzten 3 Jahren in der Tat keinen einzigen spanischen Künstler in den Top50 gegeben. Die Ausgaben für Promotion in beiden Ländern sinken jedes Jahr. Außerdem verschweigst du, dass die steigenden Ticketpreise vorallem etablierten Künstlern zu Gute kommen, nicht den Indies. Indies verdienen nach wie vor praktisch nix mit ihrer Musik, dass sie das böse Plattenlabelimperium heute umgehen können hat ihnen keinsfalls geholfen. High Leverage Märkte (also Märkte in der eine Person seine Skills an praktisch beliebig viele Menschen verkaufen kann) werden immer von extremer Ungleichheiten geprägt sein, da ändert Urheberrecht praktisch nichts daran. Das Problem ist eines der Gesellschaft und keines des Rechts.
wupperbayer schrieb:
Gern wird dann noch zur Sprache gebracht, dass Labels neue Künstler doch bekannt machen würden und so für eine gleichere Verteilung der Einkommen sorgen würden. Mal davon abgesehen, ob es heutzutage so etwas überhaupt noch braucht (last.fm, Streamingdienste und Mundpropaganda halte ich für viel effektiver) - selbst, wenn dem so ist, wird das wohl durch die Verteilung der Gelder durch die Institutionen wieder ausgeglichen. Denn tatsächlich ist die urheberrechtsbasierte Verteilung von Tantiemen und die durch die Labels noch deutlich unfairer, als es die Verteilung der Einkommen bei Künstlern sowieso schon ist. Sprich: Ein scharfes Urheberrecht (und damit ein größerer Einkommensanteil durch spezifische Tantiemen) kann die Schere der Einkommen noch vergrößern, sie schadet also relativ unbekannten Künstlern.
Ich habe für keine Sekunde bezweifelt, dass die Plattenlabels der gleichmäßigen Verteilung der Umsätze im Wege stehen. Zumindest für alle großen Labels gilt das. Es ist bei weitem effizienter und profitabler sich auf wenige Stars zu konzentrieren als jedem einzelnen Künstler seine Chance zu geben. Abgesehen davon, dass kein normaler Konsument sich 5,000 Alben anhören wird. Die meisten Stars sind überproduzierte Kopien, die erst durch Marketing berühmt wurden. Echte Musikfans werden sich dem generischen Schrott der großen Labels erst recht nicht lange ausliefern.
IP kann gar keine anderen Auswirkungen haben als die Umsätze ungleichmäßiger zu verteilen, der einzige Zweck von IP ist es, Anstrengungen zu belohnen. Ohne Patente wären die Umsätze unter Unternehmen auch gleichmäßiger verteilt, der mögliche technologische Vorsprung sinkt dann eben. Bei Plattenlabels sinkt hingegen der Vorsprung durch Marketing und musikalisches Geschick (ich nenne es absichtlich nicht Talent). Das kann jedoch per se keine Begründung sein um IP abzuschaffen. Manchmal ist größere Ungleicheit vorteilhaft, manchmal ist es das nicht. Auf diese Frage hat dein Link auch keine Antwort, das ist hier das Problem.