Sind Videospiele tot?
Game-Designer C. Crawford im Interview
Chris Crawford darf man wohl zu Recht als Urgestein der Videospielbranche bezeichnen. Er startete seine Karriere als Spiele-Designer 1979 bei Atari. Bekannt wurde er mit dem ersten kommerziell verkauften Strategiespiel-Tanktics sowie später auch als Autor. Sein Buch The Art of Computer Game Design von 1982 ist auch heute noch für viele ein Standardwerk in diesem Bereich.
1987 gründete er die Game Developers Conference und arbeitet seit nunmehr vierzehn Jahren an dem Projekt Storytronics, mit dem er sich auf das Thema des interaktiven Geschichtenerzählens konzentriert.
Nachfolgend Auszüge aus einem Interview, das Chris Crawford mit den Kollegen von Gamasutra geführt hat. Thema war neben Crawfords Storytronics-Project (über das Interessierte mehr in der zweiten Hälfte des Original-Interviews erfahren können) seine pessimistische Sicht der heutigen Spieleindustrie:
Frage: Du wirst zitiert mit dem Satz Videospiele sind tot. Glaubst Du immer noch daran, dass dies stimmt?
CC: Was ich damit meinte ist, dass die Kreativität aus dieser Industrie verschwunden ist. Und für eine Industrie die keinen kreativen Funken mehr hat, kommt die Zeit zu sterben.
Frage: Wie glaubst Du, hat die Industrie den kreativen Funken verloren?
CC: Im Grunde führen neue Ideen zu nichts mehr. Also wärmt die Industrie die gleichen Sache immer und immer wieder auf. In den Achtzigern da wurde viel experimentiert und viele neue Ideen wurden ausprobiert. Davon waren viele wirklich schlecht, aber wenigstens wurde experimentiert. Heute sehen wir nichts dergleichen mehr.
Frage: Wenn Du von neuen Ideen sprichst, die zu nichts führen, was für Ideen hast Du da im Sinn? Hast Du welche gesehen, die vielleicht aufgetaucht sind und flach fielen?
CC: Ich habe keine neuen Ideen auftauchen sehen. Die ganze Industrie ist so von Inzucht geprägt, dass die Menschen die hier arbeiten überhaupt nicht mehr fähig sind mit neuen Ideen zu kommen. Bei der jüngsten Game Developers Conference (GDC) war ich entsetzt. Ich sah mir die Spiele beim Independant Games Festival an und sie sahen alle völlig abgeleitet für mich aus. Es waren nur Kopien der gleichen recycelten Ideen. Ich habe nichts gesehen, was ich innovativ nennen würde und das noch nicht mal von Leuten die nur am Geldverdienen interessiert sind. Es waren einfache Amateure, die hier versuchten innovativ zu sein und nicht mal sie konnten es.
Frage: Gibt es Argumente dafür, Ideen wiederzuverwenden, die die Menschen immer noch mögen? Wenn Menschen etwas immer noch spielen, kaufen und es spielen wollen, ist es da so schlimm das dies nicht notwendigerweise innovativ sein muss?
CC: Nein, da ist nichts grundsätzlich Falsches dran, das Gleiche wieder und wieser und wieder zu recyceln. Aber wie merkt`s Du was Dir fehlt, wenn Du es nicht ausprobierst? Hat irgendwer bemerkt, wie wir damit bei der breiten Öffentlichkeit nicht ankommen? Hat jemand darüber nachgedacht, das dies vielleicht eine gute Sache wäre? Tatsächlich spricht die Industrie seit Jahrzehnten davon, die Zielgruppe zu vergrößern aber sie ist unwillig dafür etwas zu tun. So lange wie man das immer gleiche Produkt recycelt, so lange erreicht man auch nur denselben Markt.
Frage: Was sagst Du zu Nintendo, die gerade erst die Marke Touch Generations für das Nintendo DS angekündigt haben, die bestimmte Spiele als geeignet für Jedermann kenntlich machen soll? Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?
CC: Ich betrachte solche Sachen sehr skeptisch, weil ich sie schon viele Male zuvor gesehen habe. Denkt ein paar Jahre zurück, als Sony mit großem Getöse einen Chip veröffentlicht hat, den sie Emotion Engine nannten. Überall gab es Interviews darüber, wie sie damit etwas komplett anderes machen wollten und es hat nie zu etwas geführt. Und da waren noch andere ähnliche Versuche, die nie irgendwo hingeführt haben.
Frage: Bei Nintendo ist dieser Schritt aber kein Versuch Inhalte zu schaffen, sondern eher Marketing, bei manchen Spielen die Neu-Vermarktung um ein größeres Publikum anzusprechen.
CC: Ja, das ist mein Punkt. Da sind keine neuen Ideen. Es ist ein bisschen so, als würde man die vorhandenen Ideen einfach nur neu mischen.
Frage: Um bei Nintendo zu bleiben, glaubst der Wii ist ein Schritt in Richtung Innovation? Oder denkst Du, das ist der selbe alte Kram nur mit einem schicken neuen Controller?
CC: Eher letzteres. Ich bin kein Wahrsager. Ich weiß nicht, was sie tun werden. Aber ich denke es ist begründet zu erwarten, dass eine Industrie, die in den letzten zehn Jahren keine Innovation hervorgebracht hat, ihre Ziele nicht ändern wird.
Frage: Dann würdest Du Dich bei diesem Thema selbst als Pessimisten bezeichnen?
CC: Ja, ich glaube das kann man sagen. Hey, vielleicht überraschen sie uns ja. Aber ich predige das jetzt seit 20 Jahren und habe keinen ernsthaften Schritt in diese Richtung gesehen. Stattdessen höre allerlei Argumente wie wir müssen nichts ändern, wir machen es richtig so wie wir es machen. Und tatsächlich ist es eine fundamentale Tatsache, dass sich niemand ändert, der nicht wirklich leidet. Und die Industrie leidet nicht. Also macht sie weiter wie bisher, solange bis es weh tut.
Frage: Ich kann mir vorstellen, mit leiden meinst Du das die Verkäufe zurückgehen. Die Menschen hören auf, die selben alten Dinge immer wieder zu kaufen und an diesem Punkt denkst Du ist es zu spät für eine Veränderung?
CC: Im Moment glaube ich eher nicht. Die Spieleindustrie wird nie verschwinden. Die Menschen werden diese Dinge auch in nächster Zukunft weiter kaufen. Ich glaube nur nicht, das sie die zentrale Position, die sie heute genießen, dauerhaft besetzen können. Ich denke es werden andere Formen der interaktiven Unterhaltung aus ganz anderen Richtungen auftauchen und ganz andere Märkte ansprechen.
Quelle: gamezone.de
Was meint Ihr dazu?
Game-Designer C. Crawford im Interview
Chris Crawford darf man wohl zu Recht als Urgestein der Videospielbranche bezeichnen. Er startete seine Karriere als Spiele-Designer 1979 bei Atari. Bekannt wurde er mit dem ersten kommerziell verkauften Strategiespiel-Tanktics sowie später auch als Autor. Sein Buch The Art of Computer Game Design von 1982 ist auch heute noch für viele ein Standardwerk in diesem Bereich.
1987 gründete er die Game Developers Conference und arbeitet seit nunmehr vierzehn Jahren an dem Projekt Storytronics, mit dem er sich auf das Thema des interaktiven Geschichtenerzählens konzentriert.
Nachfolgend Auszüge aus einem Interview, das Chris Crawford mit den Kollegen von Gamasutra geführt hat. Thema war neben Crawfords Storytronics-Project (über das Interessierte mehr in der zweiten Hälfte des Original-Interviews erfahren können) seine pessimistische Sicht der heutigen Spieleindustrie:
Frage: Du wirst zitiert mit dem Satz Videospiele sind tot. Glaubst Du immer noch daran, dass dies stimmt?
CC: Was ich damit meinte ist, dass die Kreativität aus dieser Industrie verschwunden ist. Und für eine Industrie die keinen kreativen Funken mehr hat, kommt die Zeit zu sterben.
Frage: Wie glaubst Du, hat die Industrie den kreativen Funken verloren?
CC: Im Grunde führen neue Ideen zu nichts mehr. Also wärmt die Industrie die gleichen Sache immer und immer wieder auf. In den Achtzigern da wurde viel experimentiert und viele neue Ideen wurden ausprobiert. Davon waren viele wirklich schlecht, aber wenigstens wurde experimentiert. Heute sehen wir nichts dergleichen mehr.
Frage: Wenn Du von neuen Ideen sprichst, die zu nichts führen, was für Ideen hast Du da im Sinn? Hast Du welche gesehen, die vielleicht aufgetaucht sind und flach fielen?
CC: Ich habe keine neuen Ideen auftauchen sehen. Die ganze Industrie ist so von Inzucht geprägt, dass die Menschen die hier arbeiten überhaupt nicht mehr fähig sind mit neuen Ideen zu kommen. Bei der jüngsten Game Developers Conference (GDC) war ich entsetzt. Ich sah mir die Spiele beim Independant Games Festival an und sie sahen alle völlig abgeleitet für mich aus. Es waren nur Kopien der gleichen recycelten Ideen. Ich habe nichts gesehen, was ich innovativ nennen würde und das noch nicht mal von Leuten die nur am Geldverdienen interessiert sind. Es waren einfache Amateure, die hier versuchten innovativ zu sein und nicht mal sie konnten es.
Frage: Gibt es Argumente dafür, Ideen wiederzuverwenden, die die Menschen immer noch mögen? Wenn Menschen etwas immer noch spielen, kaufen und es spielen wollen, ist es da so schlimm das dies nicht notwendigerweise innovativ sein muss?
CC: Nein, da ist nichts grundsätzlich Falsches dran, das Gleiche wieder und wieser und wieder zu recyceln. Aber wie merkt`s Du was Dir fehlt, wenn Du es nicht ausprobierst? Hat irgendwer bemerkt, wie wir damit bei der breiten Öffentlichkeit nicht ankommen? Hat jemand darüber nachgedacht, das dies vielleicht eine gute Sache wäre? Tatsächlich spricht die Industrie seit Jahrzehnten davon, die Zielgruppe zu vergrößern aber sie ist unwillig dafür etwas zu tun. So lange wie man das immer gleiche Produkt recycelt, so lange erreicht man auch nur denselben Markt.
Frage: Was sagst Du zu Nintendo, die gerade erst die Marke Touch Generations für das Nintendo DS angekündigt haben, die bestimmte Spiele als geeignet für Jedermann kenntlich machen soll? Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?
CC: Ich betrachte solche Sachen sehr skeptisch, weil ich sie schon viele Male zuvor gesehen habe. Denkt ein paar Jahre zurück, als Sony mit großem Getöse einen Chip veröffentlicht hat, den sie Emotion Engine nannten. Überall gab es Interviews darüber, wie sie damit etwas komplett anderes machen wollten und es hat nie zu etwas geführt. Und da waren noch andere ähnliche Versuche, die nie irgendwo hingeführt haben.
Frage: Bei Nintendo ist dieser Schritt aber kein Versuch Inhalte zu schaffen, sondern eher Marketing, bei manchen Spielen die Neu-Vermarktung um ein größeres Publikum anzusprechen.
CC: Ja, das ist mein Punkt. Da sind keine neuen Ideen. Es ist ein bisschen so, als würde man die vorhandenen Ideen einfach nur neu mischen.
Frage: Um bei Nintendo zu bleiben, glaubst der Wii ist ein Schritt in Richtung Innovation? Oder denkst Du, das ist der selbe alte Kram nur mit einem schicken neuen Controller?
CC: Eher letzteres. Ich bin kein Wahrsager. Ich weiß nicht, was sie tun werden. Aber ich denke es ist begründet zu erwarten, dass eine Industrie, die in den letzten zehn Jahren keine Innovation hervorgebracht hat, ihre Ziele nicht ändern wird.
Frage: Dann würdest Du Dich bei diesem Thema selbst als Pessimisten bezeichnen?
CC: Ja, ich glaube das kann man sagen. Hey, vielleicht überraschen sie uns ja. Aber ich predige das jetzt seit 20 Jahren und habe keinen ernsthaften Schritt in diese Richtung gesehen. Stattdessen höre allerlei Argumente wie wir müssen nichts ändern, wir machen es richtig so wie wir es machen. Und tatsächlich ist es eine fundamentale Tatsache, dass sich niemand ändert, der nicht wirklich leidet. Und die Industrie leidet nicht. Also macht sie weiter wie bisher, solange bis es weh tut.
Frage: Ich kann mir vorstellen, mit leiden meinst Du das die Verkäufe zurückgehen. Die Menschen hören auf, die selben alten Dinge immer wieder zu kaufen und an diesem Punkt denkst Du ist es zu spät für eine Veränderung?
CC: Im Moment glaube ich eher nicht. Die Spieleindustrie wird nie verschwinden. Die Menschen werden diese Dinge auch in nächster Zukunft weiter kaufen. Ich glaube nur nicht, das sie die zentrale Position, die sie heute genießen, dauerhaft besetzen können. Ich denke es werden andere Formen der interaktiven Unterhaltung aus ganz anderen Richtungen auftauchen und ganz andere Märkte ansprechen.
Quelle: gamezone.de
Was meint Ihr dazu?
