Todesurteil gegen Ex-Diktator
Keine westlichen Standards im Saddam-Prozess
Von Carsten Kühntopp, ARD-Hörfunkstudio Amman
Der ehemalige Diktator in einem Käfig vor Gericht: Die Fernsehbilder, die aus dem Prozesssaal in Bagdad ein Jahr lang in alle Welt gebeamt wurden, waren eine Genugtuung. Schließlich zeigten sie doch, wie Saddam Hussein, einst ein ruchloser Alleinherrscher, für seine Untaten zur Verantwortung gezogen wurde. Das tat gut. Nach wie vor ist es nämlich eher die Regel als die Ausnahme, im Nahen Osten mehr noch als im Rest der Welt, dass ehemalige Staatenlenker oder Militärs, denen Verstöße gegen die Menschenrechte vorgeworfen werden, ungeschoren davonkommen.
Ein Spektakel
Doch Bilder können täuschen, und im Dudschail-Verfahren gegen Saddam Hussein trog der Schein: Der Prozess in der Grünen Zone in Bagdad war kein Sieg der Justiz, kein Triumph des Rechts über das Unrecht, sondern eher ein Spektakel. Mit westlichen rechtsstaatlichen Standards hatte das Verfahren kaum etwas zu tun. Um dies festzustellen, muss man kein Jurist sein. Das fing schon mit der mangelnden Sicherheit für die Verfahrensbeteiligten an. Bereits einen Tag nach dem Beginn des Prozesses wurde einer der Saddam-Anwälte entführt und umgebracht. Zwei weitere Verteidiger mussten in den folgenden Monaten ihr Leben lassen.
Die Richter waren engagiert und ernsthaft bei der Sache - doch sie standen unter enormem Druck, weil irakische Politiker von Anfang an deutlich gemacht hatten, was sie vom Gericht erwarten: einen Schuldspruch nämlich und ein Todesurteil. Selbst der Ministerpräsident, Nuri al Maliki, verhehlte nicht, dass er auf Saddams Hinrichtung hofft. Der erste Vorsitzende Richter trat nach einigen Monaten zurück, nachdem ihm von der Politik bedeutet worden war, er gehe zu lax mit den Angeklagten um. In diesem Klima der Vorverurteilung war ein faires Verfahren wohl kaum möglich.
Anwälte konnten kaum agieren
Nicht erst während des Prozesses, sondern bereits davor wurden die grundsätzlichen Rechte, die Saddam als Angeklagter hat, massiv verletzt. So verging nach seiner Festnahme ein ganzes Jahr, bis es ihm erlaubt wurde, in Kontakt mit seinen Anwälten zu treten. Mehrere Male schrieb das Gericht Saddam Verteidiger vor, die er und die anderen Angeklagten abgelehnt hatten.
Dabei garantiert das Gesetz einem Beschuldigten die freie Wahl seines Verteidigers. Die Behauptungen von Angeklagten, sie seien misshandelt und sogar gefoltert worden, ließ das Gericht nie ernsthaft untersuchen. Eigenartig auch: Immer wieder brachte die Anklage Beweismaterial ein, das die Verteidigung nicht vorher erhalten hatte. Damit war es ihr kaum möglich, ihre Mandanten wirksam zu verteidigen.
Mehrere Nummern zu groß
Besonders problematisch ist schließlich, dass das Gericht die Todesstrafe verhängte. Die Todesstrafe verstößt gegen das Recht auf Leben; dass sie nun in einem Verfahren verhängt wurde, das ganz offensichtlich unfair und nicht rechtsstaatlich war, ist nicht akzeptabel. Ein Verfahren dieser Art ist für jedes Rechtssystem der Welt eine gewaltige Herausforderung, doch für das Tribunal in Bagdad war diese Aufgabe mehrere Nummern zu groß.
Viele Iraker erhoffen sich von den Verfahren gegen Saddam Hussein die juristische Bewältigung der Verbrechen seiner Regierungszeit, die Aufarbeitung der Vergangenheit ihres Landes. Das Dudschail-Verfahren hat jedoch gezeigt, dass ein solcher Prozess das falsche Mittel zu diesem Zweck ist.