Reich werden mit ein bisschen Fantasy
Von Michael Voregger
Immer mehr Menschen entfliehen dem Alltag - sie tauchen ein in die Welt der Online-Rollenspiele. Dabei wird die Fantasiewelt mit echten Diebstählen und Überfällen ständig realer. In Japan bekam ein Spieler Besuch von der Polizei, weil er ein virtuelles Haus gestohlen hatte.
Der 21-jährige Ryusei Sakano erschlich sich unter falschen Angaben den Zugang zu dem Onlinespiel "Ultima Online" und besuchte die virtuelle Welt von Britannia. Dort entwendete er das Haus einer Mitspielerin und verkaufte es für 25 Millionen Goldstücke - umgerechnet immerhin 380 Euro. Dieser Wechselkurs ergibt sich durch den Verkauf der virtuellen Goldmünzen bei Onlineauktionen. Der Wirtschaftswissenschaftler Edward Castronova von der California State University hat zum Beispiel die Welt von "Everquest" als ein funktionierendes Wirtschaftssystem beschrieben, dessen Bruttoinlandsprodukt am Anfang des Jahres zwischen dem von Bulgarien und Russland lag.
Obwohl die Szenerie der Onlinespiele in den meisten Fällen an eine Episode aus Tolkiens "Herr der Ringe" erinnert, bewegen sich die künstlichen Spielfiguren in einer realen Volkswirtschaft. "Für Ökonomen gilt alles als Arbeit, was ein Mensch tut, um einen Gewinn zu erzielen", analysiert Castronova. "Es gibt in Everquest einen Markt für Dienstleistungen. Die werden unterschiedlich bezahlt. Auf allen Märkten der Welt sieht man solche Unterschiede."
In allen Online-Rollenspielen legen die Teilnehmer gesteigerten Wert auf besondere Ausrüstung und Kleidung, denn die verleiht nicht nur besondere Fähigkeiten, sondern steigert die Individualität des Spielers. Einen wichtigen Stellenwert haben Gegenstände, die selten im Spiel vorkommen. Einen Charakter mit besonderen Fähigkeiten zu entwickeln, der auch noch über spezielle Ausrüstung und viel Erfahrung verfügt, ist normalerweise eine aufwendige Angelegenheit. Selbst ein erfahrener Spieler benötigt mehrere Wochen dazu. Wem das zu mühselig ist, der kann bei den Auktionshäusern im Netz nach geeigneten Spielfiguren suchen.
800 Euro für den Dunkel-Elfen
"Ich verkaufe einen Everquest-Zugang auf dem Prexus-Server mit einem Barden, einem Krieger, einem Druiden und drei einfachen Spielcharaktern", verspricht bei Ebay "andoniates" aus Corydon in Indiana, und kurz vor Ablauf der Auktion steht das Gebot schon auf 130 Euro. Bei "Playerauctions" muss man für eine erfahrene Kriegerin schon mal 220 Euro anlegen, ein wertvoller Druide wechselt für 340 Euro den Besitzer, und für den magischen "Dark Elf Enchanter" müssen die Teilnehmer sehr tief in die Tasche greifen und 800 Euro zahlen.
Viele Menschen nutzen Computerspiele, um sich die Zeit zu vertreiben - nur wenige versuchen, mit den erlernten Fähigkeiten auf Turnieren Geld zu verdienen. Es gibt aber auch diejenigen, die nur spielen, um etwas zu verkaufen. "Ich spielte das Spiel so oft ich konnte. Schließlich glaubte ich, dass ich einen wichtigen Grund finden sollte, bevor meine Frau den Stöpsel zog", sagt der Amerikaner Julian Dibbell und verkauft virtuelles Bargeld, Waffen, Rüstung, Häuser und andere Dinge aus der Welt von "Ultima Online". "Bei meiner nächsten Einkommenserklärung will ich sagen können, dass der Verkauf dieser Gegenstände meine Haupteinnahmequelle ist, und dass ich damit mehr verdiene als durch meine Tätigkeit als professioneller Autor."
Experten schätzen die Gemeinde der Onlinespieler auf etwa 50 Millionen Menschen, und in drei Jahren sollen sich bereits 114 Millionen Spieler im Internet tummeln. Die Spieler verbringen viel Zeit damit und müssen dafür eine monatliche Gebühr zahlen. Der Eintritt in die virtuelle Welt von "Norrath" bei dem Onlinespiel "Everquest" beträgt zum Beipspiel 11 Euro im Monat. Das von Sony Online Entertainment betriebene Angebot hat etwa 430.000 registrierte Nutzer und erreicht einen monatlichen Umsatz von rund 4,8 Millionen Euro. Marktforscher erwarten für das nächste Jahr Einnahmen für Online-Rollenspiele von etwa 2 Milliarden Euro. Im besonders spielfreudigen Südkorea sind in diesem Jahr übrigens rund 40.000 digitale Verbrechen gemeldet worden - bereits die Hälfte hatte mit Onlinespielen zu tun.
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,270575,00.html
Von Michael Voregger
Immer mehr Menschen entfliehen dem Alltag - sie tauchen ein in die Welt der Online-Rollenspiele. Dabei wird die Fantasiewelt mit echten Diebstählen und Überfällen ständig realer. In Japan bekam ein Spieler Besuch von der Polizei, weil er ein virtuelles Haus gestohlen hatte.
Der 21-jährige Ryusei Sakano erschlich sich unter falschen Angaben den Zugang zu dem Onlinespiel "Ultima Online" und besuchte die virtuelle Welt von Britannia. Dort entwendete er das Haus einer Mitspielerin und verkaufte es für 25 Millionen Goldstücke - umgerechnet immerhin 380 Euro. Dieser Wechselkurs ergibt sich durch den Verkauf der virtuellen Goldmünzen bei Onlineauktionen. Der Wirtschaftswissenschaftler Edward Castronova von der California State University hat zum Beispiel die Welt von "Everquest" als ein funktionierendes Wirtschaftssystem beschrieben, dessen Bruttoinlandsprodukt am Anfang des Jahres zwischen dem von Bulgarien und Russland lag.
Obwohl die Szenerie der Onlinespiele in den meisten Fällen an eine Episode aus Tolkiens "Herr der Ringe" erinnert, bewegen sich die künstlichen Spielfiguren in einer realen Volkswirtschaft. "Für Ökonomen gilt alles als Arbeit, was ein Mensch tut, um einen Gewinn zu erzielen", analysiert Castronova. "Es gibt in Everquest einen Markt für Dienstleistungen. Die werden unterschiedlich bezahlt. Auf allen Märkten der Welt sieht man solche Unterschiede."
In allen Online-Rollenspielen legen die Teilnehmer gesteigerten Wert auf besondere Ausrüstung und Kleidung, denn die verleiht nicht nur besondere Fähigkeiten, sondern steigert die Individualität des Spielers. Einen wichtigen Stellenwert haben Gegenstände, die selten im Spiel vorkommen. Einen Charakter mit besonderen Fähigkeiten zu entwickeln, der auch noch über spezielle Ausrüstung und viel Erfahrung verfügt, ist normalerweise eine aufwendige Angelegenheit. Selbst ein erfahrener Spieler benötigt mehrere Wochen dazu. Wem das zu mühselig ist, der kann bei den Auktionshäusern im Netz nach geeigneten Spielfiguren suchen.
800 Euro für den Dunkel-Elfen
"Ich verkaufe einen Everquest-Zugang auf dem Prexus-Server mit einem Barden, einem Krieger, einem Druiden und drei einfachen Spielcharaktern", verspricht bei Ebay "andoniates" aus Corydon in Indiana, und kurz vor Ablauf der Auktion steht das Gebot schon auf 130 Euro. Bei "Playerauctions" muss man für eine erfahrene Kriegerin schon mal 220 Euro anlegen, ein wertvoller Druide wechselt für 340 Euro den Besitzer, und für den magischen "Dark Elf Enchanter" müssen die Teilnehmer sehr tief in die Tasche greifen und 800 Euro zahlen.
Viele Menschen nutzen Computerspiele, um sich die Zeit zu vertreiben - nur wenige versuchen, mit den erlernten Fähigkeiten auf Turnieren Geld zu verdienen. Es gibt aber auch diejenigen, die nur spielen, um etwas zu verkaufen. "Ich spielte das Spiel so oft ich konnte. Schließlich glaubte ich, dass ich einen wichtigen Grund finden sollte, bevor meine Frau den Stöpsel zog", sagt der Amerikaner Julian Dibbell und verkauft virtuelles Bargeld, Waffen, Rüstung, Häuser und andere Dinge aus der Welt von "Ultima Online". "Bei meiner nächsten Einkommenserklärung will ich sagen können, dass der Verkauf dieser Gegenstände meine Haupteinnahmequelle ist, und dass ich damit mehr verdiene als durch meine Tätigkeit als professioneller Autor."
Experten schätzen die Gemeinde der Onlinespieler auf etwa 50 Millionen Menschen, und in drei Jahren sollen sich bereits 114 Millionen Spieler im Internet tummeln. Die Spieler verbringen viel Zeit damit und müssen dafür eine monatliche Gebühr zahlen. Der Eintritt in die virtuelle Welt von "Norrath" bei dem Onlinespiel "Everquest" beträgt zum Beipspiel 11 Euro im Monat. Das von Sony Online Entertainment betriebene Angebot hat etwa 430.000 registrierte Nutzer und erreicht einen monatlichen Umsatz von rund 4,8 Millionen Euro. Marktforscher erwarten für das nächste Jahr Einnahmen für Online-Rollenspiele von etwa 2 Milliarden Euro. Im besonders spielfreudigen Südkorea sind in diesem Jahr übrigens rund 40.000 digitale Verbrechen gemeldet worden - bereits die Hälfte hatte mit Onlinespielen zu tun.
http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,270575,00.html