Der kleine französische Publisher Focus Home Interactive hat sich in den letzten Jahren ganz schön gemausert. Längst nicht alle ihrer Spiele erreichen A-Niveau. Aber Focus ist redlich darum bemüht, das immer öfter zu erreichen. Mit dem Action-RPG Of Orcs and Men hat Focus ein weiteres Spiel in der Pipeline, das diese Entwicklung unterstreicht. Wir haben uns das Spiel gestern von den Entwicklern und dem neuen deutschen Distributor Koch Media in den Redaktionsräumen zeigen lassen. Nur so viel vorab: Unser Interesse wurde allemal geweckt.
Es herrscht Krieg im Land. Es sind aber nicht die Orks, die die Menschheit bedrohen. Es sind die Menschen, die mit aller Macht die nicht gerade zartbesaiteten Grünhäute unterjochen. Getreu dem Motto "der Feind meines Feindes ist mein Freund" tun sich die Orks mit den Goblins zusammen, um dem drohenden Niedergang ihrer Rassen entgegenzutreten. Der subtile Plan: Sie wollen den Kopf des Aggressors, des Kaisers höchstpersönlich, vom zugehörigen Rumpf trennen. Das ist das Ziel des Orks Arkail vom Clan der Bloodjaws und des Goblins Styx.
In mehr als 20 Kapiteln und wenigstens ebenso vielen Spielstunden müsst ihr euch durch Horden von kaiserlichen Soldaten und Magiern kämpfen. Bei all der Action allerdings kommt der Rollenspielteil nicht zu kurz. Denn immer wieder stehen auch kleinere Entscheidungen an, die sich zwar nicht grundlegend auf das Ende, jedoch auf den Verlauf eines Spielabschnitts (inklusive Bonusquests) auswirken können.
Groß und klobig trifft klein und flink
Wer glaubt, dass ein Ork zunächst mal nur ein grober Schlächter ist, was seine Kampffähigkeiten angeht, der liegt auch bei Of Orcs and Men nicht falsch. Denn mit seiner dicken, unförmigen Schwert langt der riesige Arkail mächtig zu, ein Holzschild hält seinen Hieben nicht lange Stand. Auf den eigenen Schutz legt er dafür nicht allzu viel Wert. Vielleicht liegt das auch daran, dass er nach einer bestimmten Menge Schaden, die er einsteckt, in einen Blutrausch verfällt. Er teilt dann eine Weile besonders heftig aus, bis er schließlich entkräftet für einige Sekunden schutzlos den Angriffen ausgeliefert ist.
Scheinbar die perfekte Ergänzung ist Arkails Begleiter Styx, zu dem ihr jederzeit wechseln dürft. Der Goblin ist klein und nicht sonderlich kräftig. Die direkte Konfrontation mit bestimmten Gegnern ist also nicht empfehlenswert. Dafür ist er schnell mit den Dolchen und setzt sie im Fernkampf als Wurfgeschosse ein. Zudem kann er sich mehr oder weniger lautlos und gut getarnt bewegen. So fällt er einen Feind gerne mal durch einen heimlichen Dolchangriff von hinten.
Man sieht vor lauter Bäumen die Fähigkeiten nicht
Zumeist geht es während unserer Antest-Stunde ziemlich offensiv zu, die Taktik spielt jedoch immer eine entscheidende Rolle. Mit Arkail einen Gegner angreifen und diesem dann mit Styx in den Rücken fallen? Kein Problem. Aber auch umgekehrt können sich die beiden helfen: Auf einem Schlachtfeld stehen zum Beispiel einige Soldaten zwischen uns und einem starken Fernkämpfer. Greifen wir die Nahkämpfer als erstes an, setzt uns der Schütze aus der Distanz unter Druck. Also wählen wir eine Spezialfähigkeit Arkails, der Styx aufnimmt und ihn als erstes auf den Fernkämpfer wirft. Der ist jetzt in den Nahkampf verwickelt, so ist für Chancengleichheit gesorgt.
Aber es gibt noch viel mehr Talente, Fähigkeiten und Attribute, die wir, wie in linearen Action-RPGs üblich, über Erfahrungspunkte und Skillpoints erweitern. Wirbelattacken sind dabei, die uns helfen, wenn uns Gegner umzingelt haben, oder auch besonders hinterhältige Dolchangriffe, die eine Chance auf sofort tödlichen Schaden geben. All diese Skills haben außerdem wenigstens zwei Ausbaustufen und können dann, so ähnlich wie bei Mass Effect 3, mit einer Bonusfähigkeit ausgestattet werden. Später kommen schließlich auch noch Waffen und diverse Rüstungsteile hinzu, die ebenfalls verbessert werden können. Eine Itemmasse wie in Skyrim ist nicht zu erwarten, aber zumindest Objekte, die spielerisch relevant sind und mit denen ihr eure beiden Charaktere ein bisschen stärker individualisieren könnt.
Cyanide kann nicht hübsch
Of Orcs and Men erinnert optisch sehr stark an das letzte Spiel von Cyanide, Game of Thrones (GG-Test: 6.5) oder auch an Kylotonn Entertainments The Cursed Crusade (GG-Test: 6.5). Aber auch wenn die Unterschiede nicht gewaltig ausfallen, so sieht Of Orcs and Men, an dem auch Entwickler Spiders maßgeblich beteiligt ist, doch eine ganze Ecke besser aus als die beiden genannten Spiele. Das heißt jedoch nicht dermaßen viel, denn offenbar sind die Entwickler der Meinung, dass wahre Schönheit von innen kommt: Ein Hingucker wird das im Herbst für PC, Xbox 360 und Playstation 3 geplante Spiel wohl eher nicht.
Eines können wir aber in jedem Fall schon mal sagen: Die bereits integrierte deutsche Sprachausgabe hinterlässt einen guten Eindruck.
Ausblick: Im Auge behalten
Die ersten Eindrücke aus Of Orce and Men haben uns Lust auf mehr gemacht. Nicht, dass wir einen echten Kracher oder ein Grafikmonster erwarten würden. Und ob die Story etwas taugt, lässt sich nach so kurzer Beschäftigung mit dem Spiel nur schwer einschätzen. Immerhin, wann immer sich das ungleiche Duo gegenseitig in den Zwischensequenzen und Dialogen neckt, ist für Unterhaltung gesorgt. Und zumindest ansatzweise wurde bei der Präsentation deutlich, dass die leicht brüchige Allianz der beiden womöglich nicht bis zum Schluss Bestand haben könnte. Das könnte durchaus spannend werden!
Der Kern des Spiels, das Kampfsystem, das sehr ähnlich funktioniert wie in Game of Thrones, macht einen guten Eindruck. Und die bisher gesehenen Spezialfähigkeiten sprechen dafür, dass die Entwickler kreativ waren und taktisch anspruchsvolle Action abliefern können. Ob die versprochenen 20 Spielstunden dann auch mit genügend Abwechslung gefüllt werden können, wird die finale Version in einigen Wochen beantworten.