Nach dem Bericht des Tschernobyl-Forums, einem internationalen Fachgremium von Organisationen der Vereinigten Nationen, aus dem Jahr 2005 werden etwa 50 Todesfälle direkt auf Strahlenwirkungen infolge des Reaktor-Unfalls zurückgeführt. 3 Personen starben unmittelbar aufgrund schwerer Verletzungen und Verbrennungen. Von den 134 Werksangehörigen und Feuerwehrleuten mit akutem Strahlensyndrom starben 28 Personen innerhalb weniger Tage oder Wochen nach dem Unfall (maximale Überlebenszeit 96 Tage). Daneben erhielten einige Personen durch Betastrahlung hohe Hautdosen bis 500 Gy, die schwere Verbrennungen verursachten und eine medizinische Behandlung zusätzlich erschwerten. Die bei 13 Patienten mit akutem Strahlensyndrom durchgeführten Knochenmarks-Transplantationen erwiesen sich als wenig erfolgreich. Nur zwei der so behandelten Patienten überlebten. In den Folgejahren (1987-2004) verstarben weitere 19 Personen, die wegen eines akuten Strahlensyndroms behandelt wurden, davon 3 mit schweren Bluterkrankungen. In der Bevölkerung, insbesondere bei den evakuierten Personen aus der Umgebung Tschernobyls wurden keine akuten Strahlenschäden berichtet.
Hinsichtlich der beobachteten Erkrankungsfälle in der Allgemeinbevölkerung in der Umgebung des Reaktors gibt es bisher keinen Nachweis eines Anstiegs bei den Leukämieerkrankungen, aber Erkenntnisse über eine deutlich erhöhte Zahl von Schilddrüsentumoren, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, und über ein etwa verdoppeltes Brustkrebsrisiko bei Frauen in den hoch belasteten Regionen in Belarus und der Ukraine. Während die Schilddrüsentumore bereits relativ kurz nach dem Unfall aufgetreten sind, begann der Anstieg der Erkrankungsrate beim Brustkrebs etwa 10 Jahre nach dem Unfall. Es ist damit zu rechnen, dass es in Zukunft auch für weitere solide Tumoren einen Anstieg der Erkrankungsraten zu verzeichnen geben wird.
Bei den Liquidatoren, für die Dosen über 150 mGy dokumentiert sind, wurden im Vergleich zu einer Gruppe mit einer niedrigeren Exposition für die ersten 10 Jahre nach dem Unfall (1986-1996) eine 2,2-fach höhere Rate an Leukämie-Neuerkrankungen (Inzidenz) festgestellt. Für die zweite Untersuchungsperiode von 1997 bis 2003 konnte dieser Unterschied in den Leukämie-Inzidenzraten allerdings nicht mehr bestätigt werden. Für Liquidatoren, die in weniger als 6 Wochen bei ihrer Tätigkeit in der 30-km-Zone eine Dosis von über 150 mGy erhalten hatten, zeichnet sich eine Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab.
Für die erwähnten Hochrechnungen werden aus anderen Bevölkerungen (japanische Atombombenüberlebende, medizinisch Strahlenexponierte u. a.) bekannte Risikoschätzungen zugrund gelegt. Bei der Abschätzung und Bewertung von Risiken durch ionisierende Strahlung müssen dabei insbesondere zwei Schwierigkeiten berücksichtigt werden. Ein Dilemma besteht darin, dass radioaktive Strahlung und radioaktive Stoffe in der Regel vom Menschen nicht sinnlich wahrgenommen werden können. Ein zweites Problem besteht darin, dass die Wirkungen, soweit sie Tumoren und genetische Schädigungen betreffen, stochastischer Natur sind und eine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung nicht unmittelbar herstellbar ist. Eine Strahlenbelastung erhöht die Wahrscheinlichkeit, nach einer Latenzzeit von Jahren oder Jahrzehnten an Krebs oder Leukämie zu erkranken. Diese Erkrankungsfälle sind von den aus anderen Ursachen entstandenen Erkrankungen nicht unterscheidbar. Ein Nachweis kann nur statistisch geführt werden. Dies ist einer der Gründe, weshalb sich die von unterschiedlichen Quellen genannten Zahlen der durch den Tschernobyl-Unfall Geschädigten so stark unterscheiden.
Vom Tschernobyl-Forum wird abgeschätzt, dass durch den Tschernobyl- Unfall in der ehemaligen UdSSR zwischen 5.000 und 10.000 zusätzliche Todesfälle durch Leukämie- und Krebs verursacht werden könnten. Dabei wurden folgende Personengruppen berücksichtigt: 200.000 Liquidatoren der Jahre 1986-1987, 120.000 evakuierte Personen aus besonders kontaminierten Regionen, 280.000 Bewohner der am höchsten kontaminierten Gebiete sowie ca. 7 Millionen Bewohner weiterer radioaktiv kontaminierten Zonen in Belarus, der Ukraine und Russland.