Inschallah, das macht 'nen Riesenbums
Die drei Hauptangeklagten kurz nach ihrer Verhaftung (Fotos: dpa)
Jagdszenen im Sauerland: Die Spezialeinheit GSG 9 stürmt im September 2007 ein unscheinbares Ferienhaus im Dörfchen Oberschledorn. Es kommt zu einem Gerangel, der zum Islam konvertierte mutmaßliche Terrorist Daniel S. entreißt einem Polizisten die Waffe und schießt auf ihn, ohne zu treffen. Barfuß stürmt er anschließend aus dem Haus.
Die Bundesanwaltschaft wertet das Gerangel inzwischen als versuchten Polizistenmord. Heute - eineinhalb Jahre später - beginnt im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der Mammutprozess gegen S. und drei weitere Terrorverdächtige.
Vielfache Sprengkraft der London-Anschläge
Sie sollen die deutsche Zelle einer internationalen Terrorgruppe gebildet und Autobomben-Anschläge in mehreren deutschen Städten geplant haben. Drei Bomben, gleichzeitig gezündet, sollten die vielfache Sprengkraft der Anschläge von London freisetzen.
"200 Kilogramm mit Splittern"
Auf ihren Autofahrten unterhielten sich die Männer angeregt über ihre Pläne. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) würden sie mit dem gewaltigen Blutvergießen vor die Fernsehkameras zwingen. Doch des Ministers Truppen hörten bereits mit: "200 Kilogramm mit Splittern. Inschallah, das macht 'nen Riesenbums", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus den Aufzeichnungen. Die Mitschnitte gelten als wichtigstes Beweismittel der Anklage.
Hauptangeklagtem droht lebenslange Haft
Das gigantische Verfahren füllt inzwischen 530 Aktenordner. Allein die Bundesanwaltschaft hat 219 Zeugen benannt. Angeklagt sind die zum Islam konvertierten Deutschen S. und Fritz G., der türkischstämmige Deutsche Atilla S. sowie der Türke Adem Y. . Atilla S. wurde erst später festgenommen. Er soll die Zünder beschafft haben. Gegen einen weiteren Verdächtigen, Mevlüt K., wird deswegen ebenfalls noch ermittelt. Daniel S. droht lebenslange Haft, Fritz G. und Adem Y. müssen mit maximal 15 Jahren rechnen, Atilla S. mit zehn Jahren als Höchststrafe.
Hilfe aus dem Kosovo?
Unklar ist derzeit noch, ob am Wochenende vorab vom "Spiegel" veröffentlichte weitergehende Ermittlungen der Bundesanwaltschaft Auswirkungen auf den Prozess haben könnten. Das Magazin berichtete, die Terrorverdächtigen seien von serbischen beziehungsweise kosovo-albanischen Islamisten unterstützt worden. Ein bislang noch nicht gefasster Verdächtiger habe Zünder aus dem Kosovo und der Türkei nach Deutschland geschmuggelt, heißt unter Berufung auf einen Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Bundesanwaltschaft bestätigte Ermittlungen, wollte "mit Rücksicht auf das laufende Verfahren" aber keine weiteren Angaben machen. Der Anwalt von Atilla S. sprach nach "Spiegel"-Angaben von "entscheidenden Fragen, die das Gericht dringend klären muss".
Größte Polizeiaktion seit der Schleyer-Entführung
Auf das nun angeklagte Quartett war man nach Angaben der Ermittler aufmerksam geworden, als es US-Militäranlagen im hessischen Hanau ausspionierte. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen war es auch ein US-Sicherheitsdienst, der die deutschen Ermittler auf die Spur der Gruppe brachte. Daraufhin war die größte Polizeiaktion gegen mutmaßliche Terroristen seit der Entführung von Hanns-Martin Schleyer 1977 gestartet worden. 300 Beamte beobachteten fast ein halbes Jahr lang jeden Schritt der Verdächtigen.
Polizei tauschte Sprengstoff aus
Zwölf Fässer voll mit 730 Kilogramm Wasserstoffperoxid, als Sprengstoff-Grundstoff verwendbar, waren bei den Männern entdeckt und alsbald gegen eine ungefährliche Substanz ausgetauscht worden. In 65-Liter-Fässern sollen die Islamisten die Lösung in einer Chemikalien-Handlung bei Hannover gekauft haben. Ziele in Frankfurt, Dortmund, Düsseldorf, Stuttgart, München, Köln und Ramstein hatten die mutmaßlichen Terroristen den Ermittlern zufolge im Visier.
Anwälte: Geheimdienstmitarbeiter waren Anstifter
Die Verteidigung hat angekündigt, die Rolle der Geheimdienste in dem Fall unter die Lupe zu nehmen. Denn die Angeklagten sollen schon lange im Visier der Dienste gewesen sein. Die Anwälte gehen der Hypothese nach, dass ihre Mandanten ohne geheimdienstliche Nachhilfe möglicherweise gar nicht so weit gekommen wären. Im äußersten Fall hätte ein "Agent provocateur" und Informant die Männer erst angestiftet, um sie dann für viel Geld zu verraten. Aus Anklägerkreisen wird dies als Nebelkerze gewertet. Die Angeklagten hätten die Tat nachweisbar eigenständig geplant, und die Beweise dafür hätten deutsche Ermittler selbst gewonnen - ohne Geheimdienste.
Geheimdienstexperten glauben nicht an internationalen Terrorauftrag
Als zweiter Streitpunkt zeichnet sich der Anklagevorwurf der Mitgliedschaft in der "Islamic Djihad Union" ab - einer Terrorgruppe aus Usbekistan, die mit Al-Kaida in Verbindung stehen soll. Sollte die Behauptung stimmen, so hätten die Angeklagten womöglich im Auftrag des internationalen Terrors gehandelt. Anders als die Ankläger glauben namhafte Experten des baden-württembergischen Verfassungsschutzes jedoch, dass die Gruppe lediglich eine Erfindung des usbekischen Geheimdienstes ist, der unter diesem Vorwurf die Opposition im eigenen Land bekämpft. Die Angeklagten, die Kampfausbildungen in Afghanistan absolviert haben, hätten mit dem Al-Kaida-Netzwerk - wenn überhaupt - dann nur in loser Verbindung gestanden und die Anschläge auf eigene Faust geplant.
Verwenden die Ankläger Aussagen aus Folterverhören?
Dazu kommt: Zeugen in Usbekistan, die deutsche Ermittler zu dem Fall vernommen haben, könnten zuvor gefoltert worden sein. Doch nach drei überstandenen Haftprüfungsterminen beim Bundesgerichtshof sind die Ankläger zuversichtlich, diesen Vorwurf in der Hauptverhandlung gerichtsfest zu bekommen, "auch wenn es schwierig ist".
Richter urteilte bereits "Kofferbomber" ab
Mit Geständnissen kann der Vorsitzende Richter des Senats, Ottmar Breidling, nicht rechnen. Breidling hat Erfahrung in Terrorprozessen. Vor einigen Monaten schloss er sein jüngstes Großverfahren ab - und verurteilte den "Kofferbomber von Köln" zu lebenslanger Haft.
-Was meint ihr dazu?
Auch wir Deutschen leben nicht auf einer Insel der friedseeligkeit...
Die drei Hauptangeklagten kurz nach ihrer Verhaftung (Fotos: dpa)
Jagdszenen im Sauerland: Die Spezialeinheit GSG 9 stürmt im September 2007 ein unscheinbares Ferienhaus im Dörfchen Oberschledorn. Es kommt zu einem Gerangel, der zum Islam konvertierte mutmaßliche Terrorist Daniel S. entreißt einem Polizisten die Waffe und schießt auf ihn, ohne zu treffen. Barfuß stürmt er anschließend aus dem Haus.
Die Bundesanwaltschaft wertet das Gerangel inzwischen als versuchten Polizistenmord. Heute - eineinhalb Jahre später - beginnt im Hochsicherheitstrakt des Düsseldorfer Oberlandesgerichts der Mammutprozess gegen S. und drei weitere Terrorverdächtige.
Vielfache Sprengkraft der London-Anschläge
Sie sollen die deutsche Zelle einer internationalen Terrorgruppe gebildet und Autobomben-Anschläge in mehreren deutschen Städten geplant haben. Drei Bomben, gleichzeitig gezündet, sollten die vielfache Sprengkraft der Anschläge von London freisetzen.
"200 Kilogramm mit Splittern"
Auf ihren Autofahrten unterhielten sich die Männer angeregt über ihre Pläne. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) würden sie mit dem gewaltigen Blutvergießen vor die Fernsehkameras zwingen. Doch des Ministers Truppen hörten bereits mit: "200 Kilogramm mit Splittern. Inschallah, das macht 'nen Riesenbums", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus den Aufzeichnungen. Die Mitschnitte gelten als wichtigstes Beweismittel der Anklage.
Hauptangeklagtem droht lebenslange Haft
Das gigantische Verfahren füllt inzwischen 530 Aktenordner. Allein die Bundesanwaltschaft hat 219 Zeugen benannt. Angeklagt sind die zum Islam konvertierten Deutschen S. und Fritz G., der türkischstämmige Deutsche Atilla S. sowie der Türke Adem Y. . Atilla S. wurde erst später festgenommen. Er soll die Zünder beschafft haben. Gegen einen weiteren Verdächtigen, Mevlüt K., wird deswegen ebenfalls noch ermittelt. Daniel S. droht lebenslange Haft, Fritz G. und Adem Y. müssen mit maximal 15 Jahren rechnen, Atilla S. mit zehn Jahren als Höchststrafe.
Hilfe aus dem Kosovo?
Unklar ist derzeit noch, ob am Wochenende vorab vom "Spiegel" veröffentlichte weitergehende Ermittlungen der Bundesanwaltschaft Auswirkungen auf den Prozess haben könnten. Das Magazin berichtete, die Terrorverdächtigen seien von serbischen beziehungsweise kosovo-albanischen Islamisten unterstützt worden. Ein bislang noch nicht gefasster Verdächtiger habe Zünder aus dem Kosovo und der Türkei nach Deutschland geschmuggelt, heißt unter Berufung auf einen Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Bundesanwaltschaft bestätigte Ermittlungen, wollte "mit Rücksicht auf das laufende Verfahren" aber keine weiteren Angaben machen. Der Anwalt von Atilla S. sprach nach "Spiegel"-Angaben von "entscheidenden Fragen, die das Gericht dringend klären muss".
Größte Polizeiaktion seit der Schleyer-Entführung
Auf das nun angeklagte Quartett war man nach Angaben der Ermittler aufmerksam geworden, als es US-Militäranlagen im hessischen Hanau ausspionierte. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen war es auch ein US-Sicherheitsdienst, der die deutschen Ermittler auf die Spur der Gruppe brachte. Daraufhin war die größte Polizeiaktion gegen mutmaßliche Terroristen seit der Entführung von Hanns-Martin Schleyer 1977 gestartet worden. 300 Beamte beobachteten fast ein halbes Jahr lang jeden Schritt der Verdächtigen.
Polizei tauschte Sprengstoff aus
Zwölf Fässer voll mit 730 Kilogramm Wasserstoffperoxid, als Sprengstoff-Grundstoff verwendbar, waren bei den Männern entdeckt und alsbald gegen eine ungefährliche Substanz ausgetauscht worden. In 65-Liter-Fässern sollen die Islamisten die Lösung in einer Chemikalien-Handlung bei Hannover gekauft haben. Ziele in Frankfurt, Dortmund, Düsseldorf, Stuttgart, München, Köln und Ramstein hatten die mutmaßlichen Terroristen den Ermittlern zufolge im Visier.
Anwälte: Geheimdienstmitarbeiter waren Anstifter
Die Verteidigung hat angekündigt, die Rolle der Geheimdienste in dem Fall unter die Lupe zu nehmen. Denn die Angeklagten sollen schon lange im Visier der Dienste gewesen sein. Die Anwälte gehen der Hypothese nach, dass ihre Mandanten ohne geheimdienstliche Nachhilfe möglicherweise gar nicht so weit gekommen wären. Im äußersten Fall hätte ein "Agent provocateur" und Informant die Männer erst angestiftet, um sie dann für viel Geld zu verraten. Aus Anklägerkreisen wird dies als Nebelkerze gewertet. Die Angeklagten hätten die Tat nachweisbar eigenständig geplant, und die Beweise dafür hätten deutsche Ermittler selbst gewonnen - ohne Geheimdienste.
Geheimdienstexperten glauben nicht an internationalen Terrorauftrag
Als zweiter Streitpunkt zeichnet sich der Anklagevorwurf der Mitgliedschaft in der "Islamic Djihad Union" ab - einer Terrorgruppe aus Usbekistan, die mit Al-Kaida in Verbindung stehen soll. Sollte die Behauptung stimmen, so hätten die Angeklagten womöglich im Auftrag des internationalen Terrors gehandelt. Anders als die Ankläger glauben namhafte Experten des baden-württembergischen Verfassungsschutzes jedoch, dass die Gruppe lediglich eine Erfindung des usbekischen Geheimdienstes ist, der unter diesem Vorwurf die Opposition im eigenen Land bekämpft. Die Angeklagten, die Kampfausbildungen in Afghanistan absolviert haben, hätten mit dem Al-Kaida-Netzwerk - wenn überhaupt - dann nur in loser Verbindung gestanden und die Anschläge auf eigene Faust geplant.
Verwenden die Ankläger Aussagen aus Folterverhören?
Dazu kommt: Zeugen in Usbekistan, die deutsche Ermittler zu dem Fall vernommen haben, könnten zuvor gefoltert worden sein. Doch nach drei überstandenen Haftprüfungsterminen beim Bundesgerichtshof sind die Ankläger zuversichtlich, diesen Vorwurf in der Hauptverhandlung gerichtsfest zu bekommen, "auch wenn es schwierig ist".
Richter urteilte bereits "Kofferbomber" ab
Mit Geständnissen kann der Vorsitzende Richter des Senats, Ottmar Breidling, nicht rechnen. Breidling hat Erfahrung in Terrorprozessen. Vor einigen Monaten schloss er sein jüngstes Großverfahren ab - und verurteilte den "Kofferbomber von Köln" zu lebenslanger Haft.
-Was meint ihr dazu?
Auch wir Deutschen leben nicht auf einer Insel der friedseeligkeit...