Aktuelle Notiz: Wahlen rechtsextrem
von Petra Pau
1. In Brandenburg und in Sachsen wurde ein neuer Landtag gewählt. In beiden Parlamenten werden Abgeordnete rechtsextremistischer Parteien Sitz und Stimme haben: In Brandenburg erreichte die DVU mehr als 6 Prozent. In Sachsen kam die NPD sogar auf 9,2 Prozent.
2. Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte vorab gemahnt: Solche Ergebnisse seien schlecht, aber nicht über zu bewerten. In der Geschichte der Bundesrepublik hätten es rechtsextreme Parteien immer wieder mal in Parlamente geschafft. Und sie wären, so von Weizsäcker, nach einer kurzen und unrühmlichen Gastrolle wieder verschwunden.
3. Ich halte diese partielle Entwarnung für falsch und gefährlich. Es geht um ein tiefer gehendes Problem. Dafür sprechen Fakten. Wahlforscher hatten seit längerem ein NPD-Potential in Sachsen von 12 Prozent und für die DVU in Brandenburg von 9 Prozent ermittelt. Außerdem wurde die DVU zum 2. Mal hintereinander in den Brandenburger Landtag gewählt.
4. Erstmals in der jüngeren Geschichte gab es Wahlabsprachen von zwei bislang konkurrierenden rechtsextremen Parteien. Die NPD verzichtete auf eine Kandidatur in Brandenburg, die DVU bewarb sich im Gegenzug nicht in Sachsen. Hinzu kommt: Beide Parteien sind keine unbekannten Phänomene mehr. Sie wurden gewollt und nicht nur aus Protest gewählt.
5. Gravierend ist der Zuspruch bei jungen Wählern. In Sachsen erreichte die NPD in dieser Wählerschicht - nach der CDU - das zweitbeste Ergebnis. Es gab Zeiten, in denen junge Menschen eher links votierten. Derzeit stehen nationalistische und rassistische Parolen höher im Kurs. Sie prägen Regionen und ein rechtsextremes lifestyle.
6. Bereits zu den Kommunalwahlen im Juni 2004 hatte die sächsische NPD zahlreiche Parlaments- und staatliche Mandate erobert. Das stärkt ihre Infrastruktur. Hinzu kommt: Viele Kandidaten der NPD kommen aus der normal-bürgerlichen Mitte. Sie sind vor-Ort als Bäcker, Arzt oder Fahrschul-Lehrer anerkannt und dadurch auch meinungsbildend.
7. Monat für Monat befrage ich die Bundesregierung nach rechtsextremen Straf- und Gewalttaten. Im Vergleich mit anderen Bundesländern und mit der Einwohnerzahl ist Sachsen Spitzenreiter. Auch Brandenburg rangiert im Vorderfeld. Die gewählte Normalisierung des Rechtsextremismus und seine alltägliche Militarisierung sind zwei Seiten einer Strategie.
8. Das alles ist bekannt. Umso schlimmer sind Versuche der CDU/CSU, auch der SPD, selbst der Grünen, NPD und PDS in einen Topf zu werfen. Sie wollten die PDS taktisch diffamieren. Heraus kam das Gegenteil: Sie machten die NPD und die DVU strategisch hoffähig.
PS: Das dümmste und kurzsichtigste Argument für die Wahlerfolge der NPD hatte Bundes-Innenminister Schily (SPD) parat: Das Bundes-Verfassungsgericht sei schuld, meinte er, weil es die NPD nicht wie beantragt verboten habe.
Ich habe das NPD-Verbotsverfahren für die PDS-Fraktion im Bundestag damals gemeinsam mit Ulla Jelpke intensiv begleitet und befördert. Die Hauptschuld daran, dass das Verfahren verfahren wurde, trug Bundes-Innenminister Otto Schily.
Besorgnis in Tschechien über NPD-Einzug in sächsischen Landtag
Prag (dpa) - Bei vielen Tschechen hat der Einzug der rechtsextremen NPD in den Dresdner Landtag Besorgnis ausgelöst. Politiker in der Hauptstadt Prag, aber auch Bürger in der Provinz fürchten nun eine Verschlechterung des insgesamt guten Verhältnisses zum sächsischen Nachbarn.
Schließlich verbindet den Freistaat eine lange Grenze mit Tschechien, und beide Regierungen haben eine lange Aufgabenliste gemeinsam zu lösen - von der Pflege der Elbe über die Sorge für die sorbische Minderheit in Sachsen bis zur grenzüberschreitenden Arbeitsmigration.
Gerade die «Anti-Lohndumper»-Wahlplakate der NPD hatten bei vielen Tschechen, die täglich zur Arbeit nach Sachsen fahren, Wut und Enttäuschung ausgelöst. «Ich würde gerne wissen, wie viele NPD-Wähler zum Tanken und Essen nach Nordböhmen fahren, aber uns Tschechen umgekehrt die Einreise am liebsten verbieten würden», meint der 51- jährige Tankstellenpächter Jan Maly aus Usti nad Labem (Aussig). Ein Mitarbeiter des Außenministeriums in Prag nannte das Ergebnis der sächsischen Landtagswahl am Montag «beunruhigend».
Die Erfolge der NPD - und in Brandenburg der rechtsextremen DVU - stehen am Ende einer Kette von Ereignissen, die bei vielen Tschechen neues Misstrauen gegenüber dem großen Nachbarn Deutschland ausgelöst haben. Schon die Entscheidung bayerischer Richter, eine Gedenkkundgebung für den NS-Politiker Rudolf Heß in Wunsiedel nicht zu verbieten, hatte vor einigen Wochen zahlreiche Tschechen irritiert. Und auch der deutsche Hitler-Film «Der Untergang», in dem einige tschechische Kritiker die Darstellung von «Faschismus mit menschlichem Antlitz» sehen, beunruhigt.
Tschechiens öffentlich-rechtliches Fernsehen CT hatte die Wahlen in Sachsen am Montagmittag in seiner Nachrichtensendung an die erste Stelle gerückt. Prager Zeitungen berichteten auf Seite Eins und nannten das Ergebnis der NPD «eine Katastrophe». Der Kanzlei von Präsident Vaclav Klaus war die Abstimmung so wichtig, dass sie den Wahltag in ihren Terminkalender eingetragen hatte. Detailliert ließ sich Klaus von seinen Diplomaten aus Dresden und Berlin informieren.
«Ohne es zuspitzen zu wollen - die demokratischen Kräfte dürfen diese Signale nicht überhören», kommentierte der Co-Vorsitzende des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds in Prag, Tomas Kafka, die Ergebnisse von NPD und DVU. Der tschechische Politologe Rudolf Kucera sprach im Rundfunk von einem «ernsten Signal für Deutschland und umliegende Staaten». Und ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in Prag warnte: «Diese Ergebnisse in Deutschland könnten in Tschechien rechte Gruppierungen und deren Anhänger stimulieren.»
Paradoxerweise könnte sich aber nun das Verhältnis zwischen tschechischen Politikern und der Sachsen-CDU verbessern, glauben Prager Diplomaten. In der Vergangenheit hatte die Partei von Ministerpräsident Georg Milbradt das Nachbarland oft wegen der Vertreibung der Sudetendeutschen kritisiert. Sollte nun die NPD diese Rolle einnehmen, könnten sich die sächsischen Christdemokraten in dieser Frage «neu positionieren» - und damit letztendlich das Verhältnis zu Prag gar verbessern, schließen Diplomaten nicht aus.
Hintergrund: Erfahrungen mit Rechtsextremen in Landtagen
Berlin (dpa) - Parteiübergreifend haben sich Politiker besorgt über den Erfolg der rechtsextremen Parteien NPD und DVU bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg gezeigt.
In der Vergangenheit fielen rechtsextreme Parteien nach dem Einzug in deutsche Landesparlamente vor allem durch ausländerfeindliche Polemik und internen Streit auf - Beiträge zur Sacharbeit leisteten sie kaum. Hier die Erfahrungen aus fünf Bundesländern:
BADEN-WÜRTTEMBERG: Auf dem Höhepunkt der bundesweiten Debatte über das Asylrecht zogen die rechtsextremen Republikaner (REP) 1992 mit 10,9 Prozent in den Stuttgarter Landtag ein. 1996 schafften die REP mit 9,1 Prozent die Wiederwahl; 2001 wurden sie aus dem Parlament gewählt. Von Anfang an konzentrierten sich die Republikaner auf die Bereiche Ausländer oder Asylbewerber und Kriminalitätsentwicklung. Fraktionschef Rolf Schlierer, ein geschickter Redner, stellte die Partei immer wieder als Opfer der etablierten Parteien dar. Weit vor den Republikanern hatte im Südwesten 1968 die NPD für Aufsehen gesorgt, als sie mit 9,8 Prozent in den Landtag gewählt wurde.
BRANDENBURG: Noch bevor die DVU nach ihrem Wahlerfolg 1999 (5,3 Prozent) ihre Parlamentsarbeit aufnahm, konstituierte sich die fünfköpfige Fraktion an einem geheimen Ort. Anschließend verschanzte sie sich im Landtagsgebäude hinter einer Sicherheitstür. Begründung: Ihre Abgeordneten würden bedroht. Das Quintett war während der ersten Wochen auf den Parlamentsfluren nur in geschlossener Formation anzutreffen. Die DVU richtete an die Landesregierung zahllose Anfragen, die sich unter anderem auf Zahl und Aufenthalt von Asylbewerbern und Linksextremisten, auf «kriminelle Ausländer» oder Drogenkranke bezogen. «Es ist der Versuch, die Ministerien lahm zu legen», stellte Landtagspräsident Herbert Knoblich fest. Der Ursprung ihrer Gesetzentwürfe und Anträge wurde teilweise in München, dem Sitz von Parteichef Gerhard Frey, vermutet.
BREMEN: Die DVU ist mit einer Unterbrechung seit 1987 in der Bremischen Bürgerschaft vertreten - seit 1999 mit einem Abgeordneten. «Er zeichnet sich dadurch aus, dass er wenig nach Lösungen sucht, sondern ständig die gleichen Hassparolen runterbetet», sagt der CDU- Fraktionschef Jörg Kastendiek. SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen bescheinigt ihm «völlige Abstinenz von Sacharbeit». Den Sprung ins Parlament schaffte die DVU durch die gesonderten Sperrklauseln für Bremen und Bremerhaven - 2003 erzielte die Partei in Bremerhaven 7,1 Prozent.
SACHSEN-ANHALT: Politisch hat die DVU von 1998 bis 2002 im Magdeburger Landtag nichts bewirkt. Mit dem Slogan «Diesmal Protest wählen» hatten die Rechtsextremen 12,9 Prozent erreicht und stellten 16 Abgeordnete. Schon 2000 zerfiel die Fraktion nach einer öffentlichen Schlammschlacht, in der von Intrigen, Lügen und Pornovorwürfen die Rede war. Abtrünnige gründeten eine weitere Rechtsaußen-Fraktion, die im Parlament ebenfalls isoliert blieb. Die Staatsanwaltschaft ermittelte mehrfach gegen die Rechtsextremen, unter anderem wegen Verleumdung, Waffenbesitzes oder Diebstahls. Der frühere DVU-Fraktionschef Dieter Kannegießer muss sich demnächst wegen des Verdachts der Untreue vor Gericht verantworten.
SCHLESWIG-HOLSTEIN: Die DVU war 1992 völlig überraschend mit 6,3 Prozent erstmals in den schleswig-holsteinischen Landtag eingezogen. Dort fielen die sechs Abgeordneten nicht mit inhaltlicher Arbeit, sondern mit internem Streit auf. Schon 1993 zerfiel die Fraktion, drei ihrer Mitglieder schlossen sich der DLVH (Deutsche Liga für Volk und Heimat) an. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des Verdachts der Untreue gegen rechtsextreme Abgeordnete, die Mittel des Landtags veruntreut haben sollen. 1996 scheiterte die DVU mit 4,3 Prozent.