Polizist schießt auf Fußgänger

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26 Jan 2004
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Polizist schießt auf Fußgänger


Das ist wohl die brutalste Verkehrserziehung der Welt: In der tschechischen Stadt Plzen hat ein Polizist zweimal auf einen Fußgänger geschossen, weil dieser sich weigerte, an einer roten Ampel stehen zu bleiben.

Der Polizist hatte den Mann nach Informationen von Spiegel Online zunächst ermahnt, abzuwarten, bis die Ampel auf grün umspringt. Doch der Fußgänger zeigte sich uneinsichtig und versuchte trotzdem, die viel befahrene Straße zu überqueren.

Daraufhin gab der Gesetzeshüter mit seiner Dienstwaffe einen Warnschuss in die Luft ab, um den Verkehrssünder an seiner Tat zu hindern. Doch der Fußgänger ging weiterhin unbeirrt über die Straße.

So viel Unverfrorenheit war offenbar zu viel für den Polizisten. Rasend vor Wut drehte er durch und schoss zweimal gezielt auf den Passanten. Ein Justizsprecher sagte später, die Kugeln hätten "wie durch ein Wunder" nicht den Mann, sondern ein vorbeifahrendes Auto getroffen.

Warum der Polizist, der eigentlich als erfahren gilt, derartig überreagierte, ist bisher nicht bekannt. Ihm drohen nun eine Anklage und die Entlassung aus dem Polizeidienst.
 
In Deutschland gab es mal einen ähnlichen Fall, der jetzt als juristischer Klassiker den Studenten regelmäßig als Aufgabe gestellt wird:

En gelähmter Rentner bemerkt, wie ein Kind Obst aus seinem Kirschbaum stiehlt. Er spricht das Kind an, droht und schreit. Er holt ein Gewehr und droht zu schießen, wenn das Kind nicht verschwände. Er gibt noch einen Warnschuß ab und erschießt danach das Kind. Strafbarkeit des Rentners?

Tja, gar nicht so einfach. Notwehr gestattet auch Angriffe zur Verteidigung von Eigentum, solange das mildeste Mittel zur Verteidigung gewählt wird (das Mittel muß natürlich tauglich sein). Daneben gibt es zunächst mal keine Einschränkungen. Grundsatz: Recht muß Unrecht nicht weichen (John Wayne Prinzip: Erst schießen, dann fragen). Der gelähmte Rentner wollte einen Angriff auf sein Eigentum abwehren. Dieser Angriff auf sein Eigentum war rechtswidrig - es kommt nicht auf die Strafmündigkeit des Kindes an (bedeutet: das Kind macht sich zwar nicht strafbar, begeht aber dennoch eine rechtswidrige Handlung). Mildere Mittel zu Abwehr hatte der Rentner ausgeschöpft - zuletzt hatte er nur noch die Wahl, das Kind mit der Beute ziehen zu lassen, oder es zu erschießen. Und da Recht dem Unrecht nicht weichen muß (s.o.), brauchte er eigentlich das Kind nicht entkommen lassen. Die Tötung wäre demnach gerechtfertigt, der Rentner freizusprechen.

Was jedem Laien idiotisch vorkommt, ist in der Tat brisant. Denn so wie oben steht es im Gesetz - bei genauer Auslegung wäre der Rentner straffrei. Das Reichsgericht hatte damals tatsächlich in einem ähnlichen Fall freigesprochen (Unterschied war nur, daß der Obstdieb überlebt hat und volljährig war). Heutige Gerichte setzen sich über das Gesetz hinweg und haben folgenden Ausdruck erfunden: „Sozialethische Einschränkung des Notwehrrechtes“. Die Gerichte verfahren also wie bei Raumschiff Enterprise - wenn es ein Problem gibt, wird schnell ein neuer Begriff erfunden „Heisenberg-Kompensatoren“ :) und alles ist geregelt.

Sozialethische Einschränkung des Notwehrrechtes bedeutet, daß bei unerträglichem Mißverhältnis zwischen Rechtsgutverletzung und Abwehrhandlung es bei einer Strafbarkeit bleibt. Gerecht, sozial, aber gegen den immer noch aktuellen Wortlaut des Gesetzes.

Info
Castrop.
 
@incas:

:lol:
Aber es gibt ja in der Juristerei noch diese vielsagenden Dinge wie im Rahmen der "...guten Sitten...", Die "unverhältnismäßigkeit", .. usw, mit denen sich juristen dann auch wenn der Gesetzgeber es nicht so vorgesehen hat, sich manchmal dann doch "herauswinden" kann.
 
incas1 schrieb:
In Deutschland gab es mal einen ähnlichen Fall, der jetzt als juristischer Klassiker den Studenten regelmäßig als Aufgabe gestellt wird:

En gelähmter Rentner bemerkt, wie ein Kind Obst aus seinem Kirschbaum stiehlt. Er spricht das Kind an, droht und schreit. Er holt ein Gewehr und droht zu schießen, wenn das Kind nicht verschwände. Er gibt noch einen Warnschuß ab und erschießt danach das Kind. Strafbarkeit des Rentners?

Tja, gar nicht so einfach. Notwehr gestattet auch Angriffe zur Verteidigung von Eigentum, solange das mildeste Mittel zur Verteidigung gewählt wird (das Mittel muß natürlich tauglich sein). Daneben gibt es zunächst mal keine Einschränkungen. Grundsatz: Recht muß Unrecht nicht weichen (John Wayne Prinzip: Erst schießen, dann fragen). Der gelähmte Rentner wollte einen Angriff auf sein Eigentum abwehren. Dieser Angriff auf sein Eigentum war rechtswidrig - es kommt nicht auf die Strafmündigkeit des Kindes an (bedeutet: das Kind macht sich zwar nicht strafbar, begeht aber dennoch eine rechtswidrige Handlung). Mildere Mittel zu Abwehr hatte der Rentner ausgeschöpft - zuletzt hatte er nur noch die Wahl, das Kind mit der Beute ziehen zu lassen, oder es zu erschießen. Und da Recht dem Unrecht nicht weichen muß (s.o.), brauchte er eigentlich das Kind nicht entkommen lassen. Die Tötung wäre demnach gerechtfertigt, der Rentner freizusprechen.

Was jedem Laien idiotisch vorkommt, ist in der Tat brisant. Denn so wie oben steht es im Gesetz - bei genauer Auslegung wäre der Rentner straffrei. Das Reichsgericht hatte damals tatsächlich in einem ähnlichen Fall freigesprochen (Unterschied war nur, daß der Obstdieb überlebt hat und volljährig war). Heutige Gerichte setzen sich über das Gesetz hinweg und haben folgenden Ausdruck erfunden: „Sozialethische Einschränkung des Notwehrrechtes“. Die Gerichte verfahren also wie bei Raumschiff Enterprise - wenn es ein Problem gibt, wird schnell ein neuer Begriff erfunden „Heisenberg-Kompensatoren“ :) und alles ist geregelt.

Sozialethische Einschränkung des Notwehrrechtes bedeutet, daß bei unerträglichem Mißverhältnis zwischen Rechtsgutverletzung und Abwehrhandlung es bei einer Strafbarkeit bleibt. Gerecht, sozial, aber gegen den immer noch aktuellen Wortlaut des Gesetzes.

Info
Castrop.

herrje, ob es eine gute Idee war sich um einen Jurastudienplatz zu bewerben...... ;)
 
Jup, genau.. Stichwort Verhältnismäßigkeit: Auch wenn das Mittel erforderlich und zweckdienlich wäre, könnte man in dem Fall nicht immer noch mit der Zumutbarkeit argumentieren, also dass der Verlust von Kirschen nicht den Verlust eines Menschenlebens aufwiegt? Warum muss man überhaupt dieses sozialethische Einschränkungs-Klausel erfinden? :-?
 
Kotanji schrieb:
Jup, genau.. Stichwort Verhältnismäßigkeit: Auch wenn das Mittel erforderlich und zweckdienlich wäre, könnte man in dem Fall nicht immer noch mit der Zumutbarkeit argumentieren, also dass der Verlust von Kirschen nicht den Verlust eines Menschenlebens aufwiegt? Warum muss man überhaupt dieses sozialethische Einschränkungs-Klausel erfinden? :-?

Da schreibe ich mir oben einen Wolf - und Du liest nicht genau grrrr :lol: :lol:

Ich sagte doch - das Problem ist, daß bei Notwehr KEINE Abwägung oder Verhältnismäßigkeit vorliegen muß. Recht muß Unrecht nicht weichen. Vom angegriffenen Bürger erwartet das Gesetz AUSDRÜCKLICH KEINE Abwägung, damit muß seine Verteidigung nicht verhältnismäßig sein. Das Gesetz erlaubt JEDE Verteidigungshandlung, solange nur das mildeste aller erfolgsversprecheden Verteidigungsmittel gewählt wird. Hätte daher der Rentner laufen können, so hätte er nicht schießen dürfen, da er das mildere genauso erfolgsversprechende Verteidigungsmittel besaß, das Kind einfach vom Baum runter zu holen. Das Gesetz ist im Grundsatz auch gerecht und erprobt. Leider erfaßt es nicht den Ausnahmefall, daß bei kleinsten Angriffen (auf Eigentum) plötzlich nur noch maßlose Verteidiungsmittel zur Verfügung stehen. Daher mußte die richterliche sozialethische Einschränkung geschaffen werden. Dies ist ein humanitärer Akt - wie gesagt früher da war das Reichsgericht knallhart und hat den Tötungsversuch an dem Obstdieb freigesprochen.

Zur Klarstellung - Einschränkung gibt es auch heute nur bei wirklich unerträglichem Mißverhältnis. Es ist durchaus umstritten, ob ich den Dieb meines Autoradios auf der Flucht erschießen darf, wenn ich ihn anders nicht stoppen kann. Hier gibt es viele Stimmen (auch Gerichte) die dies zulassen.

Daß bei Notwehr (§ 32) keine Abwägung erforderlich ist, wird aus dem Umkehrschluß zum sog. "Rechtfertigenden Notstand" (§ 34) gefolgert. Dieser beschreibt die Verteidigungsmöglichkeiten, wenn nicht wie bei Notwehr ein Angriff, sondern nur eine Gefahr vorliegt - hier steht die Pflicht zur Abwägung und Verhältnismäßigkeit im Gesetz - bei Notwehr hingegen nicht.

____________________
§ 32 Notwehr

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.


§ 33 Überschreitung der Notwehr

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.


§ 34 Rechtfertigender Notstand

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.


§ Gruß §
INCAS
 
Ah, vielen Dank für die ausführliche Antwort, jetzt blicke ich ein bisschen durch...
Aber da es ja nun §34 (StGB, wohl?) gibt - und dort ausdrücklich das "Eigentum" geschützt wird - hätte der Rentner sich dann überhaupt auf den (anscheinend ziemlich schrankenlosen) §32 berufen dürfen?
Auf den Sachverhalt passen doch beide Paragraphen, oder nicht? :blushed:
Und der §34 scheint mir um einiges besser anzuwenden zu sein, mal aus völlig subjektiver Sicht, und dann hätte der Rentner eben schon strafbar gehandelt, weil er nicht abgewogen hat.. könnte man so argumentieren?
Immerhin würde ich (jetzt wieder völlig subjektiv) es nicht als "Angriff" auf mich deuten, wenn mir Kirschen gestohlen werden - als "Gefahr" für mein Eigentum aber schon!
 
Du hast ein gutes Judiz - das ist mir schon bei deiner ersten Post aufgefallen. Tatsächlich paßt der rechtfertigenden Notstand manchmal, wenn Notwehr vorliegt. Die Paragraphen stehen im Über-/Unterordnungsverhältnis - sie schließen sich nicht im Sinne eines entweder/oder aus. Wer eine Straftatbestand erfüllt (der Rentner hat objektiv und subjektiv den Tatbestand des Totschlages erfüllt) ist dennoch straflos, wenn zu seinen Gunsten ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Und da gibt es verschiedene - zwei habe ich gepostet. Wenn Notwehr paßt, muß ich nicht weiter prüfen. Wenn nicht, prüfe ich weiter, ob möglicherweise ein rechtfertigender Notstand zu Gunsten des Täters eingreift. Wenn beide eingreifen auch gut.

Der systematische Unterschied: Bei Notwehr werden nur höchtpersönliche Rechtsgüter geschützt (Leib Freiheit Eigentum). Beim Rechtfertigenen Notstand werden auch "sonstige Rechtsgüter" geschützt.

Entscheidend für die abgrenzung ist aber die Art der Rechsgutverletzung: Bei Notwehr muß es ein Angriff sein. Angriff ist jede Bedrohung rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten, gleichgültig, ob die Bedrohung bezweckt oder ungewollt ist (vgl. Wessels/Beulke AT, Rn. 325; Tröndle/Fischer, § 32 Rn. 4).
Der Angriff muß gegenwärtig sein. Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht, andauert und noch nicht vollständig abgeschlossen ist (BGH NJW 1973, 255; Wessels/Beulke AT, Rn. 325).

Demgegenüber reicht beim rechtfertigenen Notstand eine Gefahr für ein Rechtsgut: Eine Gefahr für ein Rechtsgut liegt vor, wenn aufgrund tatsächlicher Umstände der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich ist (vgl. BGHSt 18, 272; Tröndle/Fischer § 34 Rn. 3). Die Gefahr muß auch gegenwärtig sein. Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn die Rechtsgutbedrohung bei natürlicher Weiterentwicklung jederzeit in einen Schaden umschlagen kann (vgl. BGH NJW 1989, 176).

Beim Rentner lag bereits ein Angriff vor - die Eigentumsverletzung fand gerade statt. Damit ist der Anwendungsbereich der Notwehr eröffnet.

Da bei Angriffen oft die GEFAHR besteht, daß der Angriff intensiver wird (der betrunkende Schläger holt zum Schlag aus: unmittelbar bevorstehender Angriff (Körperverletzung) und gegenwärtige Gefahr (Tötung), ist oft sowohl Notwehr als auch Notstand einschlägig.


Uns so wird juristisch geprüft (das folgende ist ein gegoogletes Skript aus dem Internet, welches ich nur kopiere - der Strafrechtler prüft natürlich um einiges umfangreicher und genauer):


Notwehr und Notstand
A. Notwehr nach § 32 StGB
I. Begründung
Sehr weit verbreitet ist eine Sichtweise, welche die Notwehr über ein individuelles und überindividuelles Moment begründet. Es wird argumentiert, dieser Rechtfertigungsgrund verbindet die Befugnis zum Selbstschutz bei widerrechtlichen Angriffen auf Individualrechtsgüter mit dem Allgemeininteresse an der Rechtsordnung, für deren Bestand derjenige eintritt, der zur Notwehr oder zur Nothilfe greift.
Daneben gibt es Versuche die Notwehr rein individuell oder überindividuell zu begründen.
Die monistisch-überindividuellen Erklärungsansätze rücken dabei den positiven Nutzen der Notwehr für die Geltungskraft der Rechtsordnung in den Vordergrund.
Dagegen legen die monitisch-individuellen Theorien den Schwerpunkt auf den Selbstschutzgedanken des Einzelnen in Not. Unterstützt wird diese Argumentation durch den Gedanken, der vollen und ausschließlichen Verantwortlichkeit des Angreifers für die Entstehung der Kollisionslage.
II. Notwehrlage
Die Notwehrlage wird durch einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff begründet.
1. Angriff
Angriff ist jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen.
Das Merkmal "menschlich" wird verbreitet beim Angriff thematisiert. Diese Sichtweise ist zumindest schief - wer wird bestreiten wollen, daß auch ein Tier angreifen kann? Allerdings kann ein Tier nicht "rechtswidrig" angreifen. "Menschlich" ist demnach Merkmal der "Rechtswidrigkeit"!
2. Gegenwärtig
Gegenwärtig ist der Angriff, wenn er unmittelbar bevorsteht, begonnen hat oder noch fortdauert. Beendet ist der Angriff, wenn er fehlgeschlagen, endgültig aufgegeben oder vollständig durchgeführt ist, so daß die Rechtsgutsverletzung durch Gegenwehr nicht mehr abgewendet werden kann.
Genaugenommen ist "gegenwärtiger Angriff" eine Tautologie... Was bevorsteht oder beendet ist, ist jedenfalls kein Angriff mehr!
3. Rechtswidrigkeit
Es ist umstritten, ob der Angriff schon bei einem drohenden Eintritt des Erfolgsunwertes rechtswidrig iSd. § 32 StGB ist oder ob der Angreifer auch das Handlungsunrecht erfüllt haben muß und sich damit objektiv im Widerspruch zur Rechtsordnung Verhalten haben muß.
Nach erster Ansicht, dürfte auch gegen einen schlafenden Notwehr geübt werden, wenn dieser während eines Alptraumes um sich schlagen.
Richtigerweise wird man darauf abstellen müssen, ob der Angriff im Widerspruch zu den Normen des Rechts steht. Notwehr scheidet demnach aus, wenn der "Angreifer" sich objektiv sorgfaltsgemäß verhalten hat.
III. Notwehrhandlung
1. Erforderlichkeit
Erforderlich ist diejenige Verteidigungshandlung, die einerseits geeignet ist, den Angriff sofort und endgültig zu beenden und andererseits das relativ mildeste Gegenmittel.
Geeignet ist jede Abwehrmaßnahme, die nach dem Grundgedanken des Notwehrrechts sinnvoll ist und dem Angriff wenigstens ein Hindernis in den Weg legt.
Die Notwehrhandlung darf sich nur gegen den Angreifer richten, nicht gegen die Rechtsgüter Dritter.
§ 32 StGB setzt keine Güterproportionalität voraus, d. h. die Tötung eines Angreifers kann beim Versagen aller sonst in Betracht kommenden Abwehrmöglichkeiten auch zur Verteidigung von Sachwerten zulässig sein.
2. Gebotenheit
Im Rahmen der Gebotenheit wird vielfach eine sozialethische Korrektur des als zu schneidig erkannten Notwehrrechts vorgenommen. Hierüber werden also die Fälle ausgeschieden, die keine Rechtfertigung verdiene.
In folgenden Fällen wird eine Einschränkung diskutiert:
Wenn die Folgen der Abwehr in krassem Mißverhältnis zum drohenden Schaden stehen.
Wenn dem Angegriffenen anstelle rigoroser Trutzwehr ein anderes Verhalten (reine Verteidigungshandlungen oder ein Ausweichen vor dem Angriff) ohne Preisgabe berechtigter Interessen zuzumuten ist; dies gilt insbes. bei schuldlos Handelnden.
Vielfach ist es in diesen Fällen allerdings fraglich, ob überhaupt ein Angriff im Sinne des Notwehrrechts vorliegt (str.).
Wenn der Angegriffene die Notwehrsituation absichtlich provoziert oder sie in vorwerfbarer Weise herbeiführt, muß zunächst ausgewichen werden bzw. Schutzwehr geübt werden, bevor zur Trutzwehr übergegangen wird.
Die genauen Voraussetzungen sind sehr umstritten.
Unter Personen mit engen familiären Beziehungen besteht eine besondere Pflicht, dem Angriff auszuweichen, wo die Umstände dies zulassen und notfalls das Risiko einer leichteren Mißhandlung hinzunehmen
Diese Einschränkung ist weit verbreitet, allerdings fragt sich, warum der Mann, der die eheliche Lebensgemeinschaft durch seine Schläge negiert, nun auch noch dadurch geschützt wird, daß seiner Frau das Notwehrrecht genommen wird.

IV. Subjektives Rechtfertigungselement
Nach h. M. muß der Angegriffene zumindest in Kenntnis der Notwehrlage gehandelt haben. Teilweise wird diskutiert, ob er auch mit Verteidigungswillen gehandelt haben muß. Richtigerweise ist es für die Strafbarkeit irrelevant, welche innere Empfindung der Notwehrübende zu seiner Tat hat. Dementsprechend, kommt es nur auf die Kenntnis der Notwehrlage an. Strukturell entspricht die Vorstellung, sich trotz vorliegender Notwehrlage strafbar zu machen einem Wahndelikt.


B Nothilfe nach § 32 II, 2. Alt. StGB
Es muß ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff auf einen Dritten vorliegen.
Grundsätzlich gibt es keine Besonderheiten zur Notwehr - aber: Nothilfe darf nicht aufgedrängt werden.


C Allgemeiner Rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB
I. Notstandslage
Eine Notstandslage besteht, wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut droht, die nicht anders abgewendet werden dann als durch Einwirkung auf ebenfalls rechtlich anerkannte Interessen.
Unter gegenwärtiger Gefahr wird ein Zustand verstanden, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten läßt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden. Dazu zählt auch ein gefahrträchtiger Zustand von längerer Dauer, der jederzeit in eine Rechtsgutsbeeinträchtigung umschlagen kann (sog. Dauergefahr).
II. Notstandshandlung
Die Notstandshandlung muß erforderlich sein (geeignetes und mildestes Mittel).
1. Interessenabwägung
Die Notstandshandlung ist dann nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, d. h. der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahr, das vom Täter geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.
2. Angemessenheit
Es ist umstritten, ob die Angemessenheit unter einem gesonderten Prüfungspunkt zu behandeln ist. Auch in diesem Zusammenhang wird eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen vorgenommen. Vor allem sollen hier besondere Gefahrtragungspflichten berücksichtigt werden (z. B. Feuerwehrleute, Soldaten). Je nach Umfang der bei der Interessenabwägung vorgenommenen Prüfung kann sich eine gesonderte Angemessenheitsprüfung überflüssig sein.


Gruß
INCAS.
 
Na ja, mann kan wirklich nur lachen, wie sich manche Leute benehmen.
 
Ich habe mal in meinen Erläuterungen zum § 34 nachgeschlagen. Ich hatte da was im Hinterkopf.
Und da steht:

Im Gegensatz zur Notwehr wird aber hier die Gefahrenlage nicht durch einen menschlichen Angriff, sondern durch eine andere beliebige Ursache begründet.

Also darf die drohende Gefahr nicht durch einen menschlichen Angriff verursacht worden sein. Dann würde der § 34 ja nicht in unserem Beispielfall Rentner vs. Kind zutreffen. Oder ?
 
Hihi, tja bei Jura kann man sich genauer irren.

Richtig ist, daß bei § 34 StGB die Gefahr nicht von einem Menschen ausgehen muß. Auch ein heranstürzender Stein ist eine Gefahr. Aber natürlich werden AUCH Gefahren durch Menschen erfaßt.

§ 32 StGB hingegen erfordert einen Angriff. Ein solcher ist wortlogisch nur von Menschen und Tieren denkbar. Notwehr gegen Tierangriffe scheidet aber dennoch aus, nicht weil es kein Angriff ist, sondern weil der Angriff eines Tieres nicht rechtswidrig ist - und Notwehr ist nur gegen den rechtswidrigen Angriff möglich (sonst dürfte ich mich der Festnahme durch die Polizei mittels Notwehr entziehen, denn die Festnahme ist ganz sicher ein Angriff - nur eben kein rechtswidriger.)

Es kommt beim Angriff nicht darauf an, ob der Angreifer die Verletzung des Rechtsgutes will oder nicht. Auch fahrlässige oder sogar schuldlose Aktionen können Angriffe sein, da es aus Opferschutzgesichtspunkten auf den Horizont des Angegriffenen ankommt.

Es gibt hier ganz schwere Abgrenzungsprobleme. Kann die unbewußte Bewegung eines Bewußtlosen oder Schlafenden ein Angriff sein? Meines Erachtes nicht - hier liegt der Vergleicht zu einem herabfallenden Stein näher. Dennoch bejaht die herrschende Meinung auch hier Angriffe. Die Bergündung überzeugt mich aber wie gesagt nicht. Wenn ein Mensch aus dem Fenster stürzt und droht auf mich zu fallen, dann liegt eine Gefahr vor, genau wie bei einem herabfallenden Stein. In beiden Fällen liegt nämlich keine Steuerung des Angriffes vor. Hierin sind sich soweit alle einig. Doch wo soll jetzt der systematische Unterschied zu dem Fall sein, bei dem einem Schlafenden der Arm auf mich runterfällt. Konstruiert aber spannend. Strafrecht ist spannend, Jura ist spannend. Nur studieren sollte man es nicht :lol: .

Gruß
INCAS.
 
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