Ich habe im WoG-Forum vor kurzer Zeit ein Review zu diesem Spiel verfasst.
Wirklich ein geniales Werk, gehört eigentlich in jede gut sortierte Sammlung.
Vielleicht hilft mein Review, das ich mir jetzt einfach mal hierhin zu kopieren erlaube, dem einen oder anderen

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Quickfacts:
Entwickler: Nautilus
Publisher: Midway
Releasedate EU: 11. März 2005
Subgenre: J-RPG
Kampfsystem: rundenbasiert
Schwierigkeit: für Fortgeschrittene bis Profis
Liebe Freunde gepflegter RPG-Unterhaltung
Wie unlängst angekündigt, stelle ich nun heute ebenfalls einen Titel vor. Shadow Hearts 2 ist um soviel gleich vorweg zu nehmen eines jener Spiele, für die sich unser ganzes Hobby lohnt. Es ist ein Werk, das obgleich seines nicht mehr ganz jugendlichen Alters doch zeitlos und frisch wirkt. Ein Spiel, an welches ich mich zweifellos noch lange erinnern werde.
Story:
Unterstützt von einer seltsamen Stimme, gelingt es Yuri 1913 Alice aus den Klauen von Albert Simon zu retten, der sie dazu benutzen will, einen Gott auf die Erde zu bringen.
Dies gelingt auch, doch Yuri ist in der Lage sowohl Simon wie auch den beschworenen Gott zu besiegen.
Erschöpft von all der Anstrengung, fällt Alice, nota bene Yuris Geliebte, auf der Heimreise in ihre Heimatstadt Zürich in einen ewigen Schlaf und Yuri versinkt in tiefster Trauer...
So endet der erste Teil der Saga und zu Beginn von Shadow Hearts: Covenant findet man sich im kleinen, französischen Dörfchen Donremy im Jahre 1915 wieder.
Der erste Weltkrieg ist ausgebrochen und die deutschen Truppen befinden sich auf raschem Vormarsch und greifen jenes idyllische Dorf an. Die imperialen Truppen werden befehligt von Karin Koenig, einer aufreizenden Offizierin.
Die Eroberung klappt, doch plötzlich schaltet eine unheimliche, unbekannte Macht, die von dämonischer Natur ist, aber doch menschlich zu sein scheint, Karins gesamte Einheit aus.
Es ist Yuri...
Dies ist der Beginn einer ungewöhnlichen Handlung, die den Spieler zu Orten auf der ganzen Welt führt. Es ist eine Geschichte um Freundschaft, verlorene Liebe, neu gewonnene Hoffnung, Verschwörungen und Selbstfindung, die zwar nicht die originellste im Genre ist, letztlich aber aufgrund seiner so liebevollen Erzählweise und der sorgfältigen Charakterportraitierung unvergesslich wird.
Im Folgenden versuche ich nur das Nötigste zu verraten.
Einige Charakterportraits:
Yuri Volte Hyuga
Yuri, Hauptcharakter der Handlung, wurde 1890 geboren und ist Sohn von Ben Hyuga, einem Japaner, und Anne, einer Russin.
Gerade im Verlaufe der ersten Spielhälfte wirkt er wie ein typischer Antiheld, benimmt er sich doch oft grob, laut und unhöflich.
Allerdings wird dem Spieler schon früh aufgezeigt, dass dies nur der äussere Yuri ist und hinter der rauen Oberfläche ein sensibles, melancholisches und zielloses Wesen steckt.
Sein Schicksal, mit dem er während des Spiels konfrontiert wird, ist wahrlich ergreifend!
Seine Spezialfähigkeit ist die Fusion, mit der er sich in verschiedene Dämonen verwandeln kann.
Karin Koenig
Ursprünglich von adeligem Geblüt dient Karin der deutschen Armee (um dem Namen ihrer Familie gerecht zu werden), bis sie in Donremy auf Yuri trifft.
Ihre anfängliche Angst vor Yuri weicht rasch und sie entschliesst sich wegen eines Verrats an ihr und aus Mitleid für Yuri (mehr sei nicht verraten) ihm bei seiner schwierigen Reise zu helfen.
Ihre Spezialfähigkeit liegt in den Schwertkünsten, die sie mit auffindbaren Strophen des Nibelungenliedes aufwerten kann.
Gepetto
Einst ein berühmter Puppenspieler, hat sich Gepetto in Donremy niedergelassen, wo er in Yuri einen Freund findet. Als Yuri in Schwierigkeiten gerät, verspricht der alte Saufbold zusammen mit seiner Puppe Cornelia Hilfe.
Seine Puppe stellt auch seine Spezialfähigkeit dar: Er kann ihr verschiedene Kleider verleihen, die jeweils unterschiedliche Elemente verkörpern und einige Spezialattacken ermöglichen.
Joachim Valentine
Er ist ein über 400-jähriger Vampir und gleichzeitig ein sehr seltsamer Muskelprotz. Der Spieler trifft auf ihn in Frankreich, wo er sich der Gruppe aus Dank für ihre Hilfe anschliesst.
Seine Spezialfähigkeit sind von Joachythmen abhängige Verwandlungen in Fledermäuse oder unsichtbare Recken.
Blanca
Blanca ist eigentlich der Wächterhund von Donremy und gleichzeitig ein treuer Gefährte von Yuri. Es ist doch selbstredend, dass er Yuri helfen will, als dieser in Schwierigkeiten gerät, nicht?
Seine Spezialfähigkeit liegt in seinen Erscheinungsformen, in denen er bestimmte Geister rufen kann.
Im weiteren Spielverlaufe gibt es noch einige weitere spielbare Charaktere, die sich alle stark von einander unterscheiden und einfach alle nur liebevoll portraitiert werden.
Es gibt natürlich auch eine Unzahl an Bösewichten, die sich ebenfalls schön facettenreich zeigen. Aber man will ja nicht alles verraten

.
Grafik
Grundsätzlich macht das Spiel einen grafisch gelungenen Eindruck: Charaktermodelle und fast sämtliche Ortschaften sind abwechslungsreich und liebevoll designed.
Zwar kann das Spiel technisch nicht ganz mit FFX oder gar FFXII mithalten, doch bietet es auf jeden Fall genügend für das Auge.
Die wenigen CGI-Sequenzen im Spiel sind top-notch und auf SquareEnix-Niveau!
Die Bewertung ist natürlich PS2-Verhältnissen angepasst, so dass die oft etwas gar leer wirkenden Kulissen (gerade in den grösseren Städten) und einige Matschtexturen nicht so stark ins Gewicht fallen.
7/10
Sound
Akustisch macht Shadow Hearts: Covenant einen brillianten Job. Die englische Sprachausgabe gehört zum Besseren, das ich in den letzten Jahren gehört habe, obgleich nicht alles vertont worden ist. Die Musik ist nicht ganz so episch wie beispielsweise ein Uematsu-Soundtrack, bietet allerdings mit seinen sanften Tönen und aufregenden Themes viel Abwechslung.
Wichtig: Die Battlethemes sind gelungen!
9/10
Balance
Je nach Intensität, mit der der Spieler die (doch recht zahlreichen) Nebenaufgaben verfolgt, ist das Spiel entweder mittel- oder ziemlich schwierig.
Besonders beeindruckt bin ich von den Bossfights, die immer wieder eine Herausforderung darstellen und deshalb nie langweilig werden.
Da ich so gut wie keine Nebenmissionen erledigt habe (das Resultat war, dass nur einige Charaktere die 50er-Grenze geknackt haben), war übrigens der Endboss einer der Nerven aufreibendsten Kämpfe, die ich je spielen durfte. Nur dank meiner mittlerweile vorhandenen Erfahrung und enorm viel Micromanagement (drei der vier Charaktere waren mit Buff- und Heilarbeit beschäftigt!) konnte ich den etwa einstündigen (!) Endkampf für mich entscheiden. Einige Nebenbosse sind (freilich recht J-RPG-typisch) ausserdem so hart, dass auch absolute Profis auf ihre Kosten kommen.
Innerhalb der einzelnen spielbaren Charaktere gibt es eine hervorragende Mixtur aus physischen und magischen Attacken. Nur die Schutzzauber hätten vielleicht etwas relevanter sein dürfen.
10/10
Atmosphäre
Zugegeben hatte ich vor dem erstmaligen Spielen mit einer etwas düstereren Atmosphäre gerechnet als es letztlich der Fall war.
Dies ist aber keineswegs ein Vorwurf von mir an das Spiel! Denn Shadow Hearts 2 ist wirklich ausgesprochen humorvoll und hat mich zum Lächeln gebracht wie kaum ein anderes Rollenspiel.
Ausserdem versteht es das Skript des Spiels wirklich ausserordentlich, in den richtigen Momenten glaubhaft Trauer und düstere Stimmung zu suggerieren. Ausserdem gelingt es dem Spiel zuweilen erstaunlich gut, die bedrückende WWI-Kriegsstimmung zu vermitteln. Wahrlich ein Kabinettstückchen!
10/10
Bedienung
Hier gibt es keinerlei Experimente; die Steuerung funktioniert nach bewährtem Muster. Sowohl das Navigieren durch die Menüs als auch die Bedienung der Charaktere innerhalb der Welt und der Kämpfe ist meisterlich gelungen und bietet nicht den geringsten Anlass zur Kritik.
Allerdings hätte ich eine frei begehbare Oberwelt wesentlich lieber gehabt als das Auswahlmenü, wo man die einzelnen Locations im Stile von freischaltbaren Stufen auswählt.
9/10
Umfang
Obwohl ich keine Nebenmissionen gespielt habe, dauerte meine SH2-Erfahrung etwa 40 Stunden, was für eine Haupthandlung wirklich eine hervorragende Länge ist. Für Nebenmissionen lässt sich locker dieselbe Spielzeit nochmals berechnen.
10/10
Handlung
Natürlich ist das Bewerten der Qualität einer Handlung immer eine sehr subjektive Angelegenheit. Auch wenn die Story vielleicht inhaltlich nicht von der grössten Tiefe sein mag (diese aber freilich grösser ist als auf den ersten Blick angenommen!), hat mir die Haupthandlung enorm gut gefallen. Dies liegt vor allem an der ergreifenden Erzählweise und den wirklich liebevoll komponierten Zwischensequenzen und Dialogen.
Shadow Hearts: Covenant war erst das zweite Spiel, wo ich am Ende mit feuchten Augen zurückgelassen wurde.
Für mich eine doch Herz ergreifende Erfahrung!
10/10
Charaktere
Diese hervorragende Story würde ohne sympathische und spannende Charaktere die oben aufgezeigten Charakterportraits lassen es erahnen natürlich nicht funktionieren. Zum Glück hat Nautilus wirklich sehr viel Wert auf die einzelnen Figuren gelegt, so dass sie alle erstaunlich facettenreich sind (für J-RPGs sonst eher ungewöhnlich) und auch nicht-spielbare Charaktere kaum zu durchschauen sind und dementsprechend spannend daherkommen.
Hervorragende sprachliche Unterlegung und gelungene Dialoge tun ihr Übriges dazu, dass die Personen in diesem Spiel (bis auf einige Ausnahmen) ins Gedächtnis eingebrannt werden.
10/10
Kampfsystem
Gerade im Vergleich mit FFX ist Shadow Hearts in vielen Kategorien ebenbürtig oder nur knapp dahinter.
Das Kampfsystem ist allerdings für meinen Geschmack deutlich besser gelöst und bietet somit die beste rundenbasierte Erfahrung, die ich kenne.
Grundsätzlich ist das Geschehen absolut klassisch gehalten, einem Final Fantasy-Spiel somit sehr ähnlich.
Allerdings hat Nautilus den wirklich genialen Schicksalsring aus dem ersten Teil wieder implementiert. Dieser funktioniert dergestalt, dass verschiedene Flächen auf einem sich drehenden Ring getroffen werden müssen und der jeweils getroffene Bereich über die entsprechende Wirkung eines Spruchs / einer Attacke entscheidet. Besondere Ringerfolge in Kämpfen belohnt das Spiel mit Boni wie Gegenständen oder mehr Erfahrungspunkten, so dass wirklich auch der noch so einfachste Kampf eine gewisse Spannung bietet.
Um dem Spiel noch mehr Tiefe zu verleihen gibt es zudem ein hervorragendes Combosystem, das je nach Kombination die Wirkung einer Attacke um bis zu 25% erhöhen kann, was teilweise auch von Nöten ist.
Fusionsmonster lassen sich mit den aus Kämpfen gewonnenen Seelen aufleveln; die Spezialfähigkeiten anderer Partymitglieder werden durch Nebenmissionen oder Gegenstände verbessert. Die normalen Attribute werden nur durch Ausrüstungsgegenstände und Stufengewinn (ohne Punktverteilung) verbessert.
10/10
Items & Rätsel
Das Spiel bietet eine Vielzahl von auffindbaren Gegenständen, die sich als nützlich und teilweise unabdingbar erweisen. Einige wenige Items benötigt man zwar nicht, dies ist aber weit weniger der Fall als in den meisten anderen RPGs.
Meist gelungen (teilweise aber etwas öde) sind die relativ zahlreichen Rätsel ausgefallen, die oft ausgefallene Schalterknobeleien darstellen.
8/10
Fazit
Es kommt wirklich selten vor, dass mich ein klassisches J-RPG spielerisch noch wirklich zu fesseln vermag. Dank eines wirklich hervorragenden Kampfsystems gelingt dies Shadow Hearts: Covenant wirklich vorzüglich.
Dass die Handlung und die Charaktere ohnehin schon genug Motivation für das Durchspielen bieten, erklärt sich nach meinen oben niedergeschriebenen Schwärmereien wohl von selbst .
Ich kann nur betonen, dass jeder Spieler, der sich ernsthaft für Rollenspiele interessiert, an diesem Meisterwerk nicht vorbeikommt, da Shadow Hearts 2 entgegen seinem Namen dank einer ergreifenden Geschichte und viel inhaltlicher Substanz einiges an Licht in das Herz des Spielers zu zaubern vermag.
93/100
Anmerkung an PS3-Besitzer:
Das Spiel funktioniert grundsätzlich auf der PS3 ebenfalls, wobei es eine wirklich sehr nervige Komplikation gibt: So läuft das Spiel tadellos, doch friert es wirklich sehr oft (im Schnitt in jedem Gebiet einmal) für mindestens 10 Sekunden ein, bis es weitergeht. Das ist äusserst ärgerlich und schmälert die glanzvolle Spielerfahrung ein wenig.
Nichts desto weniger kann auch ein PS3-Besitzer sich das Spiel guten Gewissens gönnen, gerade da es günstig zu haben ist.