Ulrich Dohle steht auf einem Berg im
Harz– in einem geschundenen Wald. Dohle ist der Bundesvorsitzende des Bunds Deutscher Forstleute (BDF). In seinem Urlaub macht er sich nun selbst ein Bild. Seine Bilanz: "Es ist eine Katastrophe. Deutsche Wälder stehen kurz vor dem Kollaps."
Forstleute und Waldbesitzer schlagen Alarm. Seit Anfang 2018 ist der Wald im Klimastress. Auf Schnee und Winterstürme folgten Dürre und jede Menge Borkenkäfer. Danach begann ein dramatisches Baumsterben, schrieb der BDF kürzlich in einer Pressemitteilung. Seitdem sollen mehr als 100 Millionen Altbäume in
Deutschland abgestorben sein. Auch viele Jungpflanzen seien vertrocknet.
Ulrich Dohle hat den Klimanotstand für Deutschlands Wälder bereits ausgerufen. Er sagt: "Das sind keine einzelnen Wetterereignisse mehr. Der Klimawandel ist da." Die Trockenheit macht Dohle am meisten Sorgen. Die Niederschlagsmenge im sauerländischen Lüdenscheid hat sich halbiert: Sie sank von 999.5 mm im Vorjahr auf 483.6 mm im Jahr 2018. Das ist in Deutschland kein Einzelfall.
Welche Folgen das haben kann, erzählte der Biologe Helge Bruelheide t-online.de am Telefon. Er ist Co-Direktor des Deutschen Zentrums für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig und Professor für Geobotanik an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg. "Wenn sich der Trend fortsetzt und der jährliche Niederschlag unter 400 mm sinkt, wird es in Deutschland Gegenden geben, die nicht mehr waldfähig sind", sagt er. Unter diesen Bedingungen sei auch Landwirtschaft nur noch eingeschränkt möglich.
"Durch die Klimakrise gehen gerade uns viele Dinge verloren, wie zum Beispiel unsere Hochmoore", sagte der Biologe Bruelheide. Außerdem trifft es vor allem die Fichte, den Lieblingswirt des Fichten-Borkenkäfers.
Schädlinge wie ihn treibt die Klimakrise nach Deutschland. Borkenkäfer mögen es warm.
Was Forscher und Waldexperten überrascht:
Neben den Fichten sterben auch viele Buchen. "Wir haben jahrelang Buchen gepflanzt, weil wir wussten, dass es mit den Nadelbäumen Probleme geben wird. Doch wir konnten nicht wissen, dass die
Erderwärmung und die Trockenheit sich so dermaßen beschleunigen, dass nun auch unsere heimischen Laubbäume betroffen sind", sagte Bruelheide.
Für die Menschen hat das Baumsterben Konsequenzen. Die Tierwelt verändert sich, die Artenvielfalt geht zurück, der Boden erodiert zunehmend. Die Bodenerosion hat Forst-Experte Dohle selbst im Bodetal gesehen. "Dort erodiert der Boden teilweise schon. Und ohne Wald steigt das Hochwasserrisiko", sagt er. Geht das so weiter, "versteppen" die Wälder.
Noch gehört Deutschland zu den waldreichen Ländern in
Europa. Wälder machen hier etwa ein Drittel der Landfläche aus. Gemeinsam saugen sie rund 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff auf, wie die letzte Bundeswaldinventur vor sieben Jahren ergab.
Ist der deutsche Wald noch zu retten?
"Politiker denken in Wahlperioden, Forstleute denken in Jahrzehnten", sagt Forstmann Dohle. "Wir haben keine Glaskugel, aber wir müssen das Problem schnell in den Griff bekommen." Es müssten Baumarten gepflanzt werden, die eine Zukunft haben.
Darüber hinaus sind den Forstleuten die Hände gebunden, sagt Dohle weiter. "Wir müssen erst gucken, wie wir den globalen Klimawandel verlangsamen." Zudem sind die Forstbetriebe knapp besetzt: "Wir schaffen es gerade noch, das Käferholz einzuschlagen, aber können es oft nicht mal wegschaffen."
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"Einen vergleichbaren Waldverlust hat es in der Vergangenheit kaum gegeben", sagte Landwirtschaftsministerin Klöckner vergangene Woche in Berlin. "In den 80er-Jahren sprachen alle vom Waldsterben, er ist zum Glück nicht gestorben. Jetzt ist er in weiten Teilen am Sterben, und kaum einer redet davon. Es besteht dringender Handlungsbedarf."